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Rendezvous im Hyde Park

Rendezvous im Hyde Park

Titel: Rendezvous im Hyde Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Quinn
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sie konnten keine verwandten Seelen sein.
    Annabel konnte das nicht zulassen. Für sie wäre es einfach unerträglich gewesen.
    Fest entschlossen, die Oper mehr zu genießen als Mr Greys Bemerkungen, konzentrierte sie sich wieder auf die Bühne und ließ sich von der Geschichte mitreißen. Die Handlung war aberwitzig, aber die Musik war so herrlich, dass es ihr nichts ausmachte.
    Alle paar Minuten fuhr Mr Grey mit seinem Kommentar fort, der, wie Annabel einräumen musste, überaus hilfreich für das Verständnis der Oper war. Außerdem war der halb aus Inhaltsangabe, halb aus Beobachtungen bestehende Monolog äußerst amüsant. Sie hörte seine Kleider rascheln, wenn er sich zu ihr herüberbeugte, spürte seine Wärme, wenn sich seine Lippen ihrem Ohr näherten. Dann kamen die Worte, immer treffend, oft amüsant; sie kitzelten sie im Ohr, und ihr Herz begann zu pochen.
    Bestimmt war dies die wunderbarste Art, die Oper zu erfahren.
    „Jetzt kommt die letzte Szene", wisperte er, als auf der Bühne eine Art Gericht begann.
    „Der Oper?", fragte sie überrascht. Held und Heldin waren einander noch nicht einmal begegnet.
    „Des ersten Akts", meinte er.
    „Oh." Natürlich. Sie wandte sich wieder zur Bühne, und kurz darauf bekamen Tamino und Pamina sich endlich zu sehen, umarmten sich sofort... 
    ... und wurden wieder getrennt.
    „Na", sagte Annabel, als sich der Vorhang senkte, „vermutlich gäbe der zweite Akt nicht mehr viel her, wenn sie nicht am Ende des ersten getrennt werden würden."
    „Sie scheinen Romanzen zu misstrauen", meinte Mr Grey.
    „Sagen Sie doch selbst - ist es nicht ein wenig weit hergeholt, dass er sich in ein Bildnis verliebt und sie sich in sein ..." Annabel runzelte die Stirn. „Warum hat sie sich eigentlich in ihn verliebt?"
    „Weil Papageno ihr erzählt hat, dass er kommt, um sie zu retten", erklärte Louisa und lehnte sich nach vorn.
    „Oh, natürlich", erwiderte Annabel und rollte mit den Augen. „Sie hat sich verliebt, weil ein Mann in einem Federkostüm ihr erzählt hat, sie würde von einem Mann gerettet werden, den sie nicht kenne."
    „Sie glauben nicht an Liebe auf den ersten Blick, Miss Winslow?", fragte Mr Grey.
    „Das habe ich nicht gesagt."
    „Dann glauben Sie also doch daran?"
    „Weder noch", erwiderte Annabel. Das Glitzern in seinen Augen verhieß nichts Gutes. „Ich selbst habe es noch nicht miterlebt, aber das bedeutet nicht, dass es so etwas nicht gibt. Außerdem war es gar nicht Liebe auf den ersten Blick.

    Wie kann es Liebe auf den ersten Blick sein, wenn sie ihn noch gar nicht gesehen hat?"
    „Gegen eine solche Logik kommt man schwer an", murmelte er.
    „Das möchte ich auch hoffen."
    Er lachte und runzelte dann die Stirn, während er einen Blick in die letzte Reihe warf. „Harry und Olivia sind offenbar verschwunden", sagte er.
    Annabel warf einen Blick über die Schulter. „Hoffentlich ist nichts passiert."
    „Och, das kommt wohl darauf an, was genau man unter
    ,passieren' versteht", sagte Mr Grey rätselhaft.
    Annabel errötete. Sie wusste zwar nicht recht, was er damit meinte, war sich aber sicher, dass es irgendwie ungehörig war.
    Mr Grey hatte offenbar gesehen, dass sie errötet war, denn er lachte und lehnte sich mit einem verschmitzten Glitzern in den Augen zu ihr herüber. In seiner Miene lag etwas gefährlich Intimes, als würde er sie kennen oder gern kennenlernen oder...
    „Annabel", sagte Louisa laut, „würdest du mit mir in den Waschraum gehen?"
    „Natürlich." Annabel hatte zwar nicht das Bedürfnis, sich zu „waschen", aber wenn sie etwas gelernt hatte in London, dann, dass man nie ablehnte, wenn einen eine andere Dame aufforderte, sie zum Waschraum zu begleiten. Warum das so war, wusste sie nicht, aber sie hatte sich einmal geweigert mitzugehen und hinterher erfahren, dass dies sehr ungezogen gewesen sei.
    „Ich warte hier auf Sie", sagte Mr Grey und erhob sich.
    Annabel nickte und folgte Louisa nach draußen. Sie waren kaum zwei Schritte gegangen, als ihre Cousine sie am Oberarm packte und eindringlich flüsterte: „Worüber hast du geredet?"
    „Mit Mr Grey?"
    „Natürlich mit Mr Grey. Ihr beiden habt praktisch während der gesamten Vorstellung die Köpfe zusammenge-steckt."
    „Das kann nicht stimmen."

    „Doch, lass dir das gesagt sein. Und ihr habt in der ersten Reihe gesessen. Jeder wird es gesehen haben."
    Annabel wurde allmählich nervös. „Was meinst du mit jeder?"
    Louisa sah sich verstohlen um. Aus den Logen

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