Rendezvous im Hyde Park
würdest mich kaum eine Woche kennen."
Er wirkte unbekümmert. „Ach, das."
„Dachtest du, ich würde das nicht hören?"
„Aber es stimmt doch: Ich kenne dich kaum eine Woche."
Sie antwortete nicht, worauf Sebastian sich zu ihr herunterbeugte und sich rasch einen Kuss stahl. „Ich habe es mir anders überlegt."
„In ...", sie sah sich wie von Sinnen nach einer Uhr um,
„... zwei Stunden?"
„Zweieinhalb, wenn man es genau nimmt." Er schenkte ihr sein verruchtestes Lächeln. „Aber es waren ziemlich bedeutsame zweieinhalb Stunden, findest du nicht auch?"
Olivia kam hereingestürzt. „Was hast du mit ihr gemacht?"
Sebastian stöhnte. „Du würdest eine schreckliche Spionin abgeben, wusstest du das?"
Olivia flog praktisch durchs Zimmer. „Hast du sie in meinem Salon kompromittiert?"
„Nein", sagte Annabel rasch. „Nein. Nein. Nein, nein, nein, nein."
Ziemlich viele Neins, dachte Sebastian verdrießlich.
„Er hat mich geküsst", sagte Annabel zu Olivia, „aber das ist alles."
Sebastian verschränkte die Arme vor der Brust. „Seit wann bist du so prüde, Olivia?"
„Es ist mein Salon!"
Er konnte da keinerlei Problem entdecken. „Du warst ja nicht da", erklärte er.
„Das ist es ja", versetzte Olivia, stürmte an ihm vorüber und nahm Annabel am Arm. „Sie kommen mit mir mit."
Von wegen. „Was meinst du, wo du sie hinbringen könntest?", fragte er.
„Nach Hause. Ich bin grade vorbeigefahren, Newbury ist gegangen."
Sebastian verschränkte die Arme. „Sie hat mir noch keine Antwort gegeben."
„Sie gibt sie dir morgen." Olivia wandte sich an Annabel.
„Sie können ihm Ihre Antwort morgen geben."
„Nein. Warte einen Moment." Sebastian streckte den Arm aus und zog Annabel zu sich zurück. Olivia würde seinen Heiratsantrag nicht an sich reißen. Er hielt Annabel fest an seiner Seite, drehte sich zu Olivia und sagte: „Vorhin noch hast du mir die Hölle heiß gemacht, damit ich um ihre Hand anhalte, und jetzt schickst du sie weg?"
„Du hast versucht, sie zu verführen."
„Wenn ich versucht hätte, sie zu verführen", grollte er,
„hättest du beim Heimkommen eine ganz andere Lage vorgefunden."
„Ich bin auch noch da", meldete sich Annabel.
„Ich mag die einzige Frau in London sein, die nie in dich verliebt war", begann Olivia und deutete mit spitzem Finger auf Sebastian, „aber das heißt nicht, dass ich nicht weiß, wie charmant du sein kannst."
„Aber, aber, Olivia, was für ein reizendes Kompliment."
Annabel hielt die Hand hoch. „Ruhe."
„Sie wird es sich in Ruhe zu Hause durch den Kopf gehen lassen, und nicht, während du sie mit diesen ... diesen ... Augen ansiehst."
Einen Moment war Sebastian ganz still. Dann wollte er sich schier ausschütten vor Lachen.
„Was?", fuhr Olivia ihn an.
Sebastian stieß Annabel an und nickte zu Olivia. „Sie sehe ich mir meist mit der Nase an."
Annabel presste die' Lippen zusammen, um sich ein Lächeln zu verkneifen. Seine Annabel hatte einen ganz hervorragenden Sinn für Humor.
Olivia verschränkte die Arme und wandte sich an Annabel. „Er ist besser als Lord Newbury", erklärte sie bösartig,
„aber nicht viel."
„Was ist hier denn los?" Harry schaute zur Tür herein; er wirkte ein wenig zerzaust, als wäre er sich mit der Hand durch die Haare gefahren. Auf seiner Wange prangte ein Tintenfleck. „Sebastian?"
Sebastian schaute erst seinen Vetter an und dann Olivia, und dann begann er so heftig zu lachen, dass er sich setzen musste.
Harry blinzelte und zuckte mit den Schultern, als wäre das nichts weiter Ungewöhnliches. „Ach, guten Tag, Miss Winslow. Ich hab Sie da hinten gar nicht gesehen."
„Ich hab dir doch gesagt, dass du wüsstest, wie sie aussieht", brummte Olivia.
„Ich brauche einen Federkiel", sagte Sir Harry. Er ging zum Schreibtisch und begann, die Schubladen zu durch-suchen. „Ich habe heute schon drei zerbrochen."
„Du hast drei Federkiele zerbrochen?", fragte Olivia.
Er zog die nächste Schublade heraus. „Es ist diese Gorely. Manche ihrer Sätze ... lieber Himmel, die hören einfach nicht mehr auf. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die nötigen Fähigkeiten habe, sie zu übersetzen."
„Du musst dich mehr bemühen", erklärte Sebastian, der immer noch nach Atem rang.
Harry sah ihn an. „Was ist denn mit dir los?"
Sebastian wedelte mit der Hand. „Ich amüsiere mich nur ein bisschen auf Kosten deiner Frau."
Harry warf Olivia einen fragenden Blick zu, doch die rollte nur mit den
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