Rendezvous im Hyde Park
finden, dich zu kompromittieren."
Sie kicherte.
„Mal sehen. Nummer zehn ..."
„Das mache ich auch", sagte sie, während sie immer noch selig die Innenseite ihrer Lider betrachtete. Die Sonne ließ sie orangerot schimmern. Es war eine so schöne warme Farbe.
„Was machst du auch?"
„In Zehnergruppen zählen. Es ist so eine hübsche runde Zahl."
Er knabberte an ihrem Ohrläppchen. „Ich mag hübsche runde Dinge."
„Hör auf." Aber selbst sie fand nicht, dass sie so klang, als wäre es ihr ernst damit.
„Weißt du, woher ich weiß, dass du mich heiraten wirst?"
Da machte sie die Augen auf. Er klang ziemlich siegesgewiss. „Woher denn?"
„Schau dich an. So glücklich und zufrieden. Wenn du mich nicht heiraten würdest, würdest du jetzt kopflos wie ein Huhn herumrennen und dauernd nur Was hab ich getan? und Was hast du getan? und Was haben wir getan? gackern."
„All das denke ich mir ja", erklärte sie.
Er schnaubte. „Natürlich."
„Du glaubst mir nicht."
Er küsste sie. „Keine Sekunde. Aber es ist noch kein ganzer Tag vergangen, und ich stehe zu meinem Wort, daher will ich dir nicht das Messer an die Kehle setzen." Er stand auf und streckte ihr die Hand hin.
Annabel ergriff sie und ließ sich auf die Füße ziehen. Sie lächelte ungläubig. „War das eben denn kein Messer an meiner Kehle?"
„Meine liebe Miss Winslow, ich habe noch nicht einmal angefangen, dir Messer an die Kehle zu setzen." Und dann begannen seine Augen höchst mutwillig zu funkeln.
„Hmmmm."
„Was denn?"
Leise in sich hineinlachend, geleitete er sie den Hügel hinauf. „Gibt es schon den Titel des Winslow, der am ehesten in die Schleifenindustrie einsteigt?"
Sie lachte den ganzen Weg zurück nach Stonecross.
Derselbe Tag, abends
Hast du ihn diesen Nachmittag gesehen?"
Annabel hätte zu Louisa geblickt, die eben den Raum betreten hatte, wenn Nettie ihr Haar nicht gerade mit eisernem Griff festgehalten hätte.
„Wen meinst du denn?", fragte Annabel. „Aua! Nettie!"
Nettie zerrte noch ein wenig heftiger, drehte eine Strähne zusammen und steckte sie fest. „Wenn Sie stillhalten würden, wäre es schneller vorbei."
„Du weißt schon", sagte Louisa und zog einen Stuhl heraus.
„Du hast Blau getragen", sagte Annabel und lächelte ihre Cousine an. „Das gefällt mir an dir immer am besteh."
„Versuch nicht, das Thema zu wechseln."
„Sie hat ihn nicht gesehen", mischte sich Nettie ein.
„Nettie!"
„Na, stimmt doch", bekräftigte die Zofe.
„Ich habe ihn nicht gesehen", bestätigte Annabel. „Seit dem Lunch nicht mehr."
Sie hatten das Mittagsmahl im Freien eingenommen, und da es keine feste Sitzordnung gab, war Annabel am Ende mit Sebastian, seinem Vetter Edward und Louisa an einem Vierertisch gelandet. Sie hatten sich prächtig amüsiert, doch nach einer Weile hatte Lady Vickers mit Annabel ein Wort unter vier Augen wechseln wollen.
„Was glaubst du eigentlich, was du da tust?", fragte sie, sobald sie sich von den anderen ein Stück entfernt hatten.
„Nichts, „erklärte Annabel. „Louisa und ich ..."
„Mit deiner Cousine hat das nichts zu tun", fuhr Lady Vickers sie an. Sie packte Annabel hart am Arm. „Ich rede von Mr Grey, der, falls ich dich darauf hinweisen dürfte, nicht der Earl of Newbury ist."
Annabel sah, dass der laute Tadel ihrer Großmutter Aufmerksamkeit erregte, daher senkte sie in der Hoffnung, dass ihre Großmutter dasselbe tun würde, die Stimme. „Lord Newbury ist ja nicht mal hier", sagte sie. „Wenn er da wäre, würde ich ..."
„Bei ihm sitzen?" Lady Vickers hob skeptisch eine Augenbraue. „An seinen Lippen hängen und dich vor aller Welt wie eine Dirne aufführen?"
Annabel keuchte und tat einen Schritt zurück.
„Alle starren sie dich an", zischte Lady Vickers. „Wenn du einmal verheiratet bist, kannst du tun, was du willst. Ich werde dir sogar Tipps geben, wie du es anstellen musst. Aber fürs Erste wirst du - und dein Ruf - so lupenrein sauber sein wie frisch gefallener Schnee!"
„Was glaubst du denn, was ich getan habe?", fragte Annabel leise. Ihre Großmutter konnte unmöglich wissen, was sich an diesem Morgen am Teich ereignet hatte. Niemand wusste davon.
„Hab ich dir denn gar nichts beigebracht?" Lady Vickers musterte Annabel mit einem Blick, der so klar und nüchtern war, wie sie es gar nicht von ihr gewohnt war. „Was du tust, ist nicht so wichtig, wichtig ist, was die Leute glauben, dass du tust. Und du starrst diesen Mann an, als
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