Rendezvous im Hyde Park
genug Zeit", erklärte Newbury knapp.
Aus den Augenwinkeln sah Annabel, dass Sebastian sich langsam auf sie zubewegte.
„Ich habe mit Ihrem Großvater gesprochen", sagte Newbury. „Es ist alles arrangiert."
Es war alles arrangiert ? Annabel lag schon die Frage auf der Zunge, ob er vielleicht auch daran gedacht hatte, sie zu konsultieren. Aber sie hielt sich zurück. Das Vorletzte, was sie sich wünschte, war, in Lady Challis' Salon eine Szene zu machen. Ganz zu schweigen davon, dass Lord Newbury die Bemerkung wahrscheinlich als Aufforderung interpretierte, ihr einen Heiratsantrag zu machen.
Was das Letzte war, was sie sich wünschte.
„Das ist jetzt doch nicht der geeignete Zeitpunkt, Mylord", wich sie aus.
Newburys Miene spannte sich an. Sebastian kam immer näher. „Ich werde nach dem Dinner eine Mitteilung machen", sagte Lord Newbury zu ihr.
Annabel keuchte. „Das können Sie doch nicht machen!"
Er wirkte amüsiert. „Nein?"
„Sie haben mich doch noch nicht einmal gefragt!", protestierte sie, nur um sich gleich darauf auf die Zunge zu beißen. Sie hatte ihm doch keinen Anknüpfungspunkt liefern wollen.
Newbury lachte. „Das also ist das Problem, ja? Ihr hübscher kleiner Stolz ist verletzt. Na gut, nach dem Dinner bekommen Sie von mir Ihre Herzchen und Blümchen." Er lächelte lasziv, worauf seine Unterlippe vor Anstrengung zu wackeln begann. „Vielleicht haben Sie im Gegenzug dann ja auch etwas für mich."
Er legte die Hand auf ihren Arm und ließ sie dann zu ihrem Hinterteil wandern.
„Lord Newbury!"
Da kniff er sie.
Annabel sprang zur Seite, doch der Earl lachte bereits in sich hinein und entfernte sich Richtung Speisesaal. Sie sah ihm nach, und auf einmal überkam sie ein ganz merkwürdiges Gefühl.
Ein Gefühl der Befreiung.
Die ganze Zeit war sie der Sache entweder aus dem Weg gegangen, hatte auf Zeit gespielt oder gehofft, dass irgendetwas passieren würde, was sie davor bewahren würde, dem Mann, dessen Heiratsantrag die Probleme ihrer gesamten Familie lösen würde, eine Antwort geben zu müssen. Und nun erkannte sie endlich, dass sie es einfach nicht tun konnte.
Letzte Woche wäre es vielleicht noch gegangen, vielleicht bevor Sebastian ...
Nein, dachte sie, so wunderbar und großartig er auch war, so sehr sie ihn anbetete und hoffte, dass er sie ebenfalls anbetete, er war nicht der einzige Grund, warum sie Lord Newbury nicht heiraten konnte. Er bot ihr allerdings eine ausgezeichnete Alternative.
„Was zum Teufel ist da eben passiert?", fragte Sebastian, der eilig an ihre Seite geeilt kam.
„Nichts", erwiderte Annabel, und beinahe hätte sie gelächelt.
„Annabel..."
„Nein, ehrlich. Es war einfach nichts. Endlich hat es nichts mehr zu bedeuten."
„Wie meinst du das?"
Sie schüttelte den Kopf. Alles machte sich auf zum Dinner. „Ich erzähle es dir später."
Im Augenblick hatte sie einfach zu viel Spaß mit ihren Gedanken, um sie mit einem anderen zu teilen. Sogar mit ihm. Wer hätte gedacht, dass ein Kniff in den Po am Ende alles entscheiden würde? Dabei war es noch nicht einmal der Kniff selbst gewesen, sondern der Blick, der ihn begleitet hatte.
Als würde er sie besitzen.
In diesem Moment hatte sie erkannt, dass es mindestens zehn Gründe gab, warum sie sich an diesen Mann niemals ehelich binden könnte.
Mindestens zehn, wahrscheinlich eher hundert.
Erstens, dachte Annabel beglückt, während sie am Tisch Platz nahm, war Lord Newbury schlicht zu alt. Ganz zu schweigen davon, dass er zweitens so erpicht auf einen Erben war, dass er sie beim Zeugungsversuch vermutlich verletzen würde, und eine Frau mit gebrochener Hüfte konnte unmöglich neun Monate lang ein Baby austragen. Und natürlich war da ...
„Warum lächelst du?", flüsterte Sebastian.
Er stand hinter ihr und tat so, als wäre er unterwegs zu seinem eigenen Platz, der schräg gegenüber von ihrem lag, zwei Plätze näher am Kopfende des Tisches. Wie man auf die Idee kommen könnte, dass ihr Platz auf dem Weg zu seinem liegen konnte, war ihr schleierhaft. Das brachte sie dazu, den nächsten Punkt zu revidieren; sie schien nämlich drittens die Aufmerksamkeit des charmantesten und liebenswürdigsten Mannes von ganz England erregt zu haben, und wie käme sie dazu, einen solchen Schatz einfach abzuweisen?
„Ich bin nur froh, dass ich am unteren Ende des Tisches sitze, bei den anderen Bauern", flüsterte sie zurück. Lady Challis nahm es mit der Etikette überaus genau, daher wurde man bei ihr
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