Rendezvous in Kentucky
einen Unterschied macht das schon, zum Teufel?«
Sie sah ihn mit erstaunten Augen an, und er fürchtete, daß sie wegen seiner groben Worte gleich in Tränen ausbrechen würde.
Er senkte ergeben den Kopf. »Ich heiße richtig Devon Macalister, aber ich wurde immer nur Mac genannt.«
»Ich danke Ihnen dafür, daß Sie mir Wasser gebracht und Gesellschaft geleistet haben, Mr. Macalister.«
»Nicht Mr. Macalister, nur einfach Mac!« Das Mädchen machte ihn langsam wütend. »Schau mal, ich mein’ das...« Er schwieg, als er Schritte hörte.
»Sie müssen gehen«, flüsterte sie. »Sie dürfen nicht bei mir gesehen werden.«
Er sah sie wieder erstaunt an, verließ aber schnell das Zelt.
Mac ging allein in den Wald. Sie war das seltsamste Mädchen, das er je getroffen hatte. Und ganz gleich, was Crazy Bear behauptete — für ihn blieb sie ein kleines Mädchen. Die Indianer hatten darüber geredet, welche Zähigkeit sie auf dem Fußmarsch bewiesen hatte, und daß sie den Fünfjährigen den größten Teil des Weges auf dem Rücken getragen hatte. Mac hatte sich das Kind angesehen — es war wahrhaftig kein Leichtgewicht!
Und wie beherrscht sie eben gewesen war! Vor ein paar Monaten war ein Mädchen in derselben Situation in Panik ausgebrochen. Er hatte versucht, ihr zu helfen, doch ihr lautes Kreischen hatte das ganze Lager alarmiert, so daß er gerade noch entwischen konnte. Mac wußte, wie viehisch sich die Indianer benehmen konnten, wenn sie zuviel Schnaps getrunken hatten. Das Mädchen war nach der Vergewaltigung verblutet.
Er dachte an Linnet, die so geduldig in ihrem Zelt wartete. Anstatt zu schreien, hatte sie ihn nach den Kindern gefragt und ihm gedankt, als ob sie sich im Salon einer reichen Lady begegnet wären.
Er dachte an ihre großen, leuchtenden Augen und fragte sich verwundert, welche Farbe sie eigentlich hatten. Ihre Hand hatte gezittert, als er sie gehalten hatte. >Verdammt!< dachte er und seufzte resigniert. Gut, er würde sein Leben riskieren und sie hier rausholen.
Mac ging zum Zelt zurück und trat ein. Sie saß ruhig da und hatte die Hände im Schoß gefaltet.
»Sie, Mr. Macalister? Sie sollten doch nicht wiederkommen!«
Er lachte sie unbekümmert an und zeigte dabei seine kräftigen, weißen Zähne. »Sag mal, kannst du lesen?«
»Warum? Ja, sicher.«
»Wenn ich dich hier rausbringe, würdest du mir dann Lesen beibringen?«
»Natürlich«, flüsterte sie, und nur ein leises Zittern in ihrer Stimme verriet, wie verängstigt sie war.
Er bewunderte sie von Minute zu Minute mehr. »In Ordnung. Versuche ruhig zu bleiben. Es dauert noch eine Weile, und außerdem könnte ich unterliegen.«
»Unterliegen? Was meinen Sie damit?«
»Du mußt mir vertrauen. Jetzt versuch erst mal zu schlafen, vor morgen früh passiert sowieso nichts. Aber morgen mußt du die Nerven behalten und mir vertrauen. Versprichst du mir das?«
»Ja, Mr. Macalister.«
»Nicht Mr. Macalister!«
Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Ich vertraue dir... Devon!«
Er wollte wieder protestieren, doch er ahnte, daß es zwecklos sein würde. »Ich komme mir vor wie in einem schlechten Traum, aus dem ich hoffentlich bald erwache. Du bist wirklich die ungewöhnlichste Frau, die ich bis jetzt kennengelernt habe.« Er warf ihr noch einen bedeutsamen Blick zu und verließ das Zelt.
Linnet konnte nicht einschlafen. Sie hatte sich schon mit ihrem Schicksal abgefunden, bevor dieser Mann ihr neue Hoffnung geschenkt hatte. Vielleicht wäre es besser gewesen, er hätte es nicht getan... Denn jetzt würde alles nur noch schwerer zu ertragen sein. In der Morgendämmerung kam eine Indianerin in das Zelt und bedeutete Linnet durch Handzeichen, ihr zu folgen.
Draußen warteten noch mehr Indianerinnen auf sie. Sie lachten, als Linnets Knie nachzugeben drohten und pufften sie so heftig in die Seiten, daß sie hinfiel. Sie schleiften sie zu einem Baum, zogen ihre Arme nach hinten und banden sie fest um den Stamm. Keines der Kinder war zu sehen.
Zwei Indianer kamen auf sie zu. Sie waren mit einem Lendenschurz bekleidet, die Körper waren eingeölt. Linnets Augen hefteten sich auf den größeren Mann mit den blauen Augen. Zum ersten Mal sah sie Devon bei Tageslicht. Sein Gang war raumgreifend, und unter seiner dunklen Haut spielten kräftige Muskeln.
Auch Devon musterte die Frau, für die er sein Leben aufs Spiel setzen wollte, prüfend. Er war ein wenig enttäuscht. Ihre zarten Gesichtszüge wurden durch die verschwollene Wange und
Weitere Kostenlose Bücher