Rendezvous in Kentucky
über mich geredet.«
»Haben wir nicht. Du hast kein Wort darüber verloren, wie es dir ergangen ist.« Linnet holte tief Luft. »Du siehst müde und abgemagert aus.«
Er sah sie ruhig an. »Ich habe nur von Gaylons Fraß gelebt, oder von dem, was ich selbst gekocht habe — was eigentlich noch schlimmer ist. Es ist ein Wunder, daß ich überhaupt noch Fleisch auf den Rippen habe.«
Plötzlich wünschte sie, er wäre weit weg. Sie wollte ihn treten, schlagen, beißen, küssen, berühren... Nein! Sie durfte sich nicht so gehenlassen. Besser, sie blieb so ruhig wie er. »Ich habe gestern Brot gebacken. Möchtest du etwas davon probieren?«
Er grinste, und sie fühlte, wie ihr Herz wild zu schlagen begann. »Das würde ich sehr gerne tun.« Er stand auf und baute sich vor ihr auf. Aber sie schenkte ihm keinen Blick — sie konnte ihn einfach nicht anschauen, wenn er ihr so nahe war.
Sie gingen zum Waldrand. Die ersten Personen, die Linnet sah, waren Nettie und Miranda. Linnet hielt erstaunt inne — sie hatte ihre Tochter total vergessen! Jetzt war nicht die Zeit für langwierige Erklärungen. Sie warf ein kurzes »Entschuldige bitte« über die Schulter, hob ihre Röcke und lief zu Nettie.
Atemlos und keuchend ergriff Linnet Netties Arm: »Wenn du meine Freundin bist, dann tust du mir jetzt einen Riesengefallen, ja? Sag ihm nicht, daß Miranda meine Tochter ist, hörst du?«
Nettie blickte über Linnets Schulter, um »ihn« in Augenschein zu nehmen. Sie sah einen großen, schlanken, gutaussehenden Mann mit dunklem Haar und mit Mirandas Augen. Man brauchte nicht besonders klug zu sein, um zu erkennen, wer das war.
Devon trat neben die beiden Frauen.
»Nettie, das ist Devon Macalister. Seine Freunde nennen ihn Mac.«
Devon hob verwundert eine Augenbraue. So, sie wollte also nicht, daß andere Leute ihn auch Devon nannten.
»Und das ist Nettie Waters.«
Devon nickte der Frau grüßend zu.
Nettie beugte sich herunter und hob Miranda hoch. »Und das ist Miranda.« Nettie hörte sehr wohl, daß Linnet tief Luft holte. Doch sie beachtete das nicht, sondern reichte Devon das Baby. »Möchten Sie sie mal auf den Arm nehmen?«
Devon war überrascht. Er mochte Kinder, aber vor Babys hatte er einen gewissen Respekt — sie wurden entweder unangenehm feucht, oder sie machten einen Höllenlärm. Er sah mit geheucheltem Interesse auf das Kind in seinen Armen. »Ein hübsches kleines Mädchen«, meinte er höflich und drückte das Kind Nettie in die Arme. »Hübsche Augen.« Verwirrt registrierte er, daß seine Bemerkung, die gar nicht komisch gemeint war, bei Nettie eine wahre Lachsalve auslöste.
Linnet sandte Nettie einen wütenden Blick zu und sagte hastig: »Ich habe Devon kennengelernt, als ich in Sweetbriar wohnte.«
»Ich habe gar nicht gewußt, daß du je in Sweetbriar gelebt hast! Ich dachte immer, du kämst aus Boston.«
»Dort war ich ja auch, ich...« stammelte Linnet verwirrt. Der Anblick von Devon und Miranda brachte sie um den Rest ihrer ohnehin spärlichen Selbstbeherrschung. »Ich gehe jetzt und richte das Abendessen für Devon. Bis später dann.«
Devon saß an dem Kieferntisch in Linnets Blockhaus. Diese Hütte war etwas größer als die, die sie in Sweetbriar bewohnt hatte, aber die Innenausstattung der beiden Häuser war ziemlich ähnlich. Der einzige Unterschied bestand in der großen Veranda vor dem Haus in Spring Lick. »Du hast mir überhaupt noch nicht erzählt, was du hier tust. Du bist die Lehrerin, nicht wahr?« fragte er mit vollem Mund.
Wie bringt er es nur fertig, so ruhig an meinem Tisch zu sitzen? fragte sich Linnet. Wie kann er Miranda in den Armen halten, ohne zu bemerken, daß sie seine Tochter ist? Hübsche Augen — ja in der Tat, das war der Gipfel der Unverschämtheit! Mirandas Augen glichen denen dieses widerlichen, verabscheuungswürdigen Kerls aufs Haar! »Och, es ist ganz nett hier. Die Leute sind ganz anders als die in Sweetbriar.«
»Ich habe unten im Laden einen Mann namens Butch Gather getroffen und...« Er unterbrach sich und ging zum Kamin, wo er eine der Schnitzereien betrachtete.
»Du hast sie behalten?« fragte er leise.
»Ja.« In ihr wuchs der Ärger. Was für ein Recht hatte er, ihr Leben, das sie sich so gut eingerichtet hatte, wieder vollkommen durcheinanderzubringen? Sie hatte gelernt, ohne ihn zu leben. Es gab sogar manchmal Stunden, in denen sie nicht einmal an ihn dachte! Also warum war er zurückgekehrt? »Warum bist du hier?« wollte sie
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