Rendezvous in Kentucky
näher. Ihre Münder prallten fast gewaltsam aufeinander. Sie waren wie Verdurstende, Ertrinkende.
Linnet rollte sich neben ihn, so daß sie beide auf der Seite lagen, die Körper aneinandergepreßt. Gierig griff sie nach seinem Hinterteil, preßte ihn an sich. Ihr Körper brannte vor Verlangen nach ihm. Seine Hand spielte in ihrem Haar und zog ihren Kopf zurück. Die Leidenschaft barst in einem orangeroten Ball vor ihrer beider Augen.
Da flog die Tür der Blockhütte mit einem heftigen Knall auf, und der Bann war gebrochen. Linnet fuhr herum, hielt den Atem an. Doch niemand war da. Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, daß der Wind der Störenfried gewesen war.
Langsam klärte sich ihr Kopf wieder, und sie lief, um die Tür zu schließen. Für einen Moment steckte sie den Kopf hinaus in die frische Frühlingsluft, um die Erregung abzukühlen. Sie wunderte sich über die Heftigkeit ihrer Empfindungen. Erst einmal in ihrem Leben hatte sie ein so starkes Verlangen gespürt.
Devon drehte sich auf den Bauch und vergrub sein Gesicht in den Kissen. Die Gewalt seiner Lust hatte ihn sehr verwirrt.
Linnet lief aus der Hütte, um sich die letzten schwülen Gedanken aus dem Kopf blasen zu lassen.
»Linnet!«
Sie erkannte Netties Stimme sofort und war glücklich, die Freundin wiederzusehen. »Nettie! Dich habe ich aber lange nicht mehr gesehen!« Sie schüttelten sich die Hände.
»Wie geht es ihm?« fragte Nettie.
»Oh, er ist... er ist...« stammelte Linnet und senkte verlegen den Kopf.
»Ich verstehe. Er hat sich wohl schon sehr gut erholt, wie?« meinte Nettie und zwinkerte schelmisch mit den Augen.
Jetzt mußte auch Linnet lachen. »Ich glaube, man könnte sogar sagen, daß er sich bereits mehr als >erholt< hat.«
»Gut. Komm, laß uns ein bißchen Spazierengehen. Ich habe zwar einen Kessel voller Indigo in der Scheune stehen, aber für ein paar Minuten kann ich ihn schon allein lassen. Linnet, ich habe Angst vor dieser Stadt.«
»Wie meinst du das?«
»Es ist einfach zu ruhig, und heute morgen waren viele Leute ziemlich lange in Butchs Laden drüben. Rebecca hat mir erzählt, daß sie gesehen hätte, wie die Leute lächelnd rauskamen. Wenn die Einwohner dieser Stadt lächeln, dann bedeutet das nichts Gutes, glaub mir!«
»Ach was! Sie werden darüber geredet haben, welche Schande ich über die Gemeinde gebracht und daß ich meinen Schülern Unmoral gepredigt habe.«
»Nein, es muß mehr dran gewesen sein. Weißt du, diese Ungewißheit macht mir die meiste Angst. Rebecca wollte ja lauschen, aber ich habe es ihr verboten. Aber jetzt meine ich, er wäre besser gewesen, wenn ich es ihr erlaubt hätte!«
»Nettie, du darfst Rebecca nicht zum Lauschen verleiten. Ich bin sicher — wenn ich erst abgereist —«
»Abgereist?« unterbrach sie Nettie. »Du willst doch nicht wirklich weg von hier, oder?«
Linnet sah die Freundin überrascht an: »Ja, ich werde fortgehen. Ich möchte wieder zurück nach Sweetbriar.«
»Mit deinem Mann«, stellte Nettie bedrückt fest.
Linnet lächelte. »Ja, mit meinem Mann. Er ist nicht perfekt, Nettie. Wir sind nie gut miteinander ausgekommen und haben uns ständig wegen Kleinigkeiten in den Haaren gelegen. Aber ich liebe auch vieles an ihm.« Sie blickte verträumt zum Waldrand hinüber. »Immer ist er hilfsbereit. Er schimpft zwar laufend, aber er hilft anderen. Und er akzeptiert die Menschen, so wie sie sind, ob sie nun weiß oder rot, reich oder arm sind. Er ist sehr tapfer. Er hat sein Leben aufs Spiel gesetzt, um mich zu retten. Dabei kannte er mich überhaupt nicht! Und auf dem Rückweg hat er —«
Netties Gelächter unterbrach sie. »Das hört sich ja so an, als ob er einen Heiligenschein hätte.«
»Aber nein!« widersprach Linnet schnell. »Er kann auch anders sein. Die Hälfte der Zeit ist er böse auf mich, und den Rest verbringt er damit, Gaylon und Doll zu beschimpfen und —«
»Linnet!« schimpfte Nettie. Die beiden Frauen brachen in herzhaftes Gelächter aus.
»Ich glaube, ich plaudere alles aus. Ich bin einfach schon zu lange in Kentucky. Noch vor einem Jahr hätte ich niemandem erzählt, was mich bewegt. Meine Nanny hat mir immer gepredigt, daß es besser ist, wenn man alles mit sich allein abmacht. Dann könnte ich nicht verletzt werden, weil niemand meine geheimen Wünsche und Sehnsüchte kennt.«
Nettie tätschelte Linnets Arm. »Du mußt noch lange genug in Spring Lick bleiben, um mir von deiner Nanny und deinem Leben in England zu erzählen. Aber
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