Rendezvous in Kentucky
er den Atem anhielt, daß ihn die Berührung mit dem eiskalten Wasser sehr schmerzte. Sein Oberkörper war nackt. Er trug nur eine schwere Baumwollhose und keine Schuhe. Als er tiefer in den Fluß eintauchte, betäubte die Kälte den Schmerz, und das Wasser reinigte die Wunden. Der Auftrieb entlastete seine wunden Füße. Sofort schien er sich wohler zu fühlen.
»Bist ein kluges Mädchen, Lynna. Sehr gescheit von dir!« lobte er anerkennend und ließ sich treiben.
»Meine Gouvernante hat mir ja auch beigebracht, wie ich mit verwundeten, blutenden Männern in der Wildnis umzugehen habe!«
Er legte einen Arm um den Baumstamm und sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. Hatte sie gerade einen
Scherz gemacht, oder meinte sie es wirklich ernst? »Ab jetzt mußt du still sein. Sie werden bald nach uns Ausschau halten«, warnte er und legte seine Wange erschöpft an die rauhe Rinde. Zum ersten Mal seit vier Tagen konnte er sich ein wenig entspannen.
Sie ließen sich stundenlang treiben. Die Sonne ging unter und das Dunkel der Nacht hüllte sie ein. Manchmal schien Devon einzuschlafen, und Linnet wachte sorgfältig darüber, daß sein Kopf nicht unter die Wasseroberfläche glitt.
»Eines Tages werde ich für dich sorgen«, flüsterte er einmal. Sie hatte geglaubt, daß er schlief.
»Ich freue mich schon jetzt darauf«, erwiderte sie und küßte zärtlich sein Ohr.
Sie hörten von fern Hufgetrappel am Ufer. Devon packte Linnet mit einem Arm und zog ihren Kopf unter sich. Er lagerte ihn genau zwischen den Baumstamm und seine Brust. Sie hielt den Atem an. Als die Hufschläge längst verklungen waren, hielt er sie noch immer so. Ihr Nacken war verkrampft und schmerzte. Als er sie langsam losließ, nahm sie eilig wieder den Platz an seiner Seite ein. Sie sah fragend zu ihm auf.
»Dein Haar«, erklärte er. »Es ist zu hell.« Dann legte er sich wieder erschöpft auf den Stamm.
Als die Sonne aufging, waren sie beide völlig ermattet. Sie mußten an Land gehen und etwas essen. »Devon?« fragte sie leise.
Er öffnete die Augen. Sie waren wieder klar und leuchtend. »Ich habe gedacht, alles wäre bloß ein Traum«, sagte er lächelnd und zeigte dabei seine kräftigen schneeweißen Zähne. »Ich hatte Angst, die Augen aufzumachen, weil ich fürchtete, du wärst nicht wirklich hier, und ich hätte mir alles nur eingebildet.«
Sie streckte die Hand aus und strich über sein lockiges, dunkles Haar. »Du wirst mich nie mehr los. Von jetzt an werde ich dich selbst im Schlaf verfolgen.«
Er grinste breit. »Wenn wir das hier hinter uns haben, dann wollen wir gleich noch ein paar Mirandas machen!«
Sie sah ihn mit gespielter Verachtung an. »Kannst du denn immer nur an das eine denken?«
»Es ist schon so —«
»Ich weiß — es ist schon lange her, seit wir...«
Er lächelte sie an und verzichtete auf eine Antwort.
»Devon«, meinte sie ernst. »Ich weiß wirklich nicht, was wir jetzt tun sollen. Du mußt dich ausruhen und deine Sachen trocknen. Außerdem brauchen wir beide etwas zu essen.«
Er hob seinen Kopf und spähte umher. »Wir sind noch nicht weit genug von Crazy Bears Lager entfernt. Hältst du es noch ein bißchen aus?«
»Ja. Wenn du es schaffst...«
»Ja«, knurrte er und schloß die Augen.
Am Nachmittag begann es zu regnen. Linnet war froh darüber, denn ihr Nacken und ihre Hände zeigten alle Anzeichen von Sonnenbrand. Devons dunkle Haut schien unempfindlich zu sein. Sie bemerkte froh, daß sich die Brandwunden durch die Einwirkung des Wassers wieder geschlossen hatten. Bei Sonnenuntergang half Devon ihr, den Baumstamm zum Ufer zu steuern. Sie konnte kaum glauben, daß sie so schwach geworden war. Aber der vierundzwanzigstündige Aufenthalt im Wasser ohne Nahrung forderte seinen Tribut.
Devon sank auf einen Haufen trockener Blätter. »Geh und besorg uns was zu essen, Frau«, sagte er und schloß die Augen.
Linnet stand über ihm und starrte böse auf ihn hinunter. Er öffnete amüsiert ein Auge. »Eines Tages wirst du mir für diese Worte büßen müssen, Devon Macalister!« drohte sie. Er schloß das Auge wieder und lächelte zufrieden, als sie langsam in den Wald stakste.
Die Wildnis von Kentucky war ein schier unerschöpfliches Paradies, was Wildbret, Wildfrüchte und Nüsse anging. Linnet füllte ihren Rock mit dicken, saftigen Brombeeren und trug sie zu Devon. Er aß langsam und ließ jede Beere vorsichtig im Mund zergehen. Sie dagegen stopfte soviel in sich hinein, wie sie nur
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