Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
ab, um die Leute dazu zu motivieren, zur Wahl zu gehen. Andere standen an Kopierern und vervielfältigten Positionspapiere. Einige der Überschriften lauteten zum Beispiel »Globale Erderwärmung – beinahe zu heiß zum Anfassen«, oder »Stoppt den Appetit der Amerikaner auf Öl – lasst uns fasten!« Die Cocktails und Partygäste von Freitagabend waren verschwunden. Heute Abend drehte sich alles um die wenig glamouröse Alltagsarbeit einer Wahlkampagne.
Ich erspähte Daniel an demselben Tisch, an dem er auch bei Bennys und meinem ersten Besuch gesessen und den er inzwischen in ein Minibüro verwandelt hatte. Auf einem Regal hinter ihm standen bronzierte Kampfstiefel, und an der Wand hingen ein Abzeichen der Fallschirmjäger sowie eine Plakette, die mit der Operation Desert Storm aus den Neunzigern in Zusammenhang stand. Joe Daniel war beschäftigt und schenkte mir keinerlei Beachtung. Er hatte sich in seine eigene Welt zurückgezogen und vollführte mit einem irisierenden blauen Jo-Jo einen ziemlich professionell aussehenden Trick. Dieses Hobby diente ihm vermutlich als eine Art Meditation, als Entspannung für unterwegs. Ich trat nahe genug an ihn heran, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, und sagte: »MrDaniel? Ich meine, Joe? Könnten wir uns kurz unterhalten? Ich würde gern einige Sachen bezüglich der Sicherheitsvorkehrungen mit Ihnen besprechen.«
Er lächelte, sah mich aber verständnislos an und versuchte ganz offenbar herauszufinden, wer ich war.
»Daphne Urban«, erinnerte ich ihn. »Von den Protectors. Ginny hat Ihnen hoffentlich mitgeteilt, dass ich kurz Ihre Zeit beanspruchen muss.«
»Ach ja. Der rein weibliche Sicherheitsdienst. Sicher. Setzen Sie sich doch zu mir«, sagte er, stand auf und zog einen Klappstuhl für mich heran.
Wir setzten uns, und er legte das Jo-Jo vor sich auf den Tisch. Mir kam der Gedanke, dass ein Rüschenrock vielleicht doch nicht die geschickteste Art war, von einem VIP ernst genommen zu werden, aber dafür war es nun zu spät. Ich sah ihn mit ernstem Gesichtsausdruck an und ergriff das Wort. »Kommen wir gleich zur Sache. Ich habe gute Neuigkeiten: Meine Kolleginnen und ich sind dem Killer auf der Spur, der auf Sie angesetzt ist.«
Sein Gesicht verriet nicht viel. Er sah mich nur höflich an und konstatierte dann das Offensichtliche: »Aber Sie haben ihn noch nicht geschnappt.«
»Nein. Aber wir sind kurz davor, ›ihn‹ zu lokalisieren. Trotzdem wissen wir noch nicht, wer hinter dem Anschlag steckt. Ich bin sicher, dass die Polizei Sie bereits dazu befragt hat …«
»Das FBI auch. Und ich habe allen dasselbe gesagt. Ich weiß nicht, wer es auf mich abgesehen hat. Wahrscheinlich irgendein Verrückter«, entgegnete er kurz angebunden.
»Joe«, sagte ich eindringlich, »wer auch immer Sie umbringen lassen will, ist kein Verrückter! Wir sind uns ziemlich sicher, dass kein Einzelner, sondern eine mächtige Gruppe dahintersteckt. Selbst wenn wir diesen Killer aufhalten, wird es neue Attentatsversuche geben, sofern Sie weiter für das Amt kandidieren.«
»Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Während meiner Zeit beim Militär habe ich auch nicht darüber nachgedacht, ob ich die nächste Schlacht überleben werde. Ich habe versucht, meinen Job so gut wie möglich zu erledigen und meinen Auftrag zu erfüllen. Genau das Gleiche tue ich jetzt auch. Ist sonst noch etwas? Ich muss in ein paar Minuten zu einem Radio-Interview.«
»Ich habe noch eine Bitte an Sie. Sie sollten wissen, dass Sie durch eine vorhersehbare Routine zu einer perfekten Zielscheibe werden. Es existiert sogar ein gedruckter Ablauf für die gesamte Woche, von dem nicht nur ich eine Kopie besitze, sondern auch die Presse. Ich bitte Sie – ich meine natürlich, die Protectors bitten Sie –, in letzter Minute ein paar Änderungen in Ihrem Zeitplan vorzunehmen. Kündigen Sie spontan frühere Anfangszeiten an, so dass sich die Menschen beeilen müssen, um rechtzeitig dort zu sein. Oder kommen Sie zu spät. Nehmen Sie eine andere Route als geplant. Tauschen Sie Ihre Besprechungszimmer. Sitzen Sie nicht jeden Abend an diesem Platz. Wenn Sie eine Rede halten, dann lassen Sie die Jungs von der Technik Ihr Podium in letzter Minute verschieben – selbst wenn es nur ein halber Meter ist. Verändern Sie, so viel Sie können, in Ordnung?«
Er sah mich weitaus respektvoller an als noch ein paar Minuten zuvor. »Das macht Sinn. Hören Sie, ich bin Ihnen
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