Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
gestellt wurden. Würde ich den Test bestehen?
Ich zügelte meine Fantasie und stieg weiter hinter den anderen die Treppe hinauf. Erst als wir auf dem oberen Treppenabsatz angekommen waren, warf ich einen Blick zurück in die schwach beleuchtete Eingangshalle. Ducasse war nirgends zu sehen. Stattdessen trat ein Mann aus den Schatten, das Gesicht hinter einer schwarzen Maske verborgen, mit nacktem, durchtrainiertem Oberkörper und hautenger Lederhose. Als er an der Treppe vorbei in Richtung eines Zimmers im Erdgeschoss ging, blickte er auf und bemerkte, dass ich ihn beobachtete. Seine Augen waren Höhlen aus Dunkelheit. Ich erschauerte. Die Spielchen, die hinter den verschlossenen Türen dieses Hauses gespielt wurden, waren offenbar genau die, vor denen ich mich fürchtete.
Der für Tallmadge reservierte Raum war edel ausgestattet, wirkte dabei aber verhältnismäßig normal. Keine maskierten Figuren in den Ecken oder Drogenutensilien auf dem Tisch, dafür aber Flaschen mit teuren Weinen und Spirituosen. Cathary fragte, was er uns servieren dürfe. Benny und Tallmadge nahmen beide ein Glas Pinot Noir, Cormac und ich entschieden uns für Mineralwasser.
»Bitte klingeln Sie nach mir, wenn ich irgendetwas für Sie tun kann«, sagte Cathary und verbeugte sich leicht. Dann verließ er das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich. Der Raum war beinahe dunkel und sehr warm. In der Luft hing ein leichter Geruch nach Zitrone und Sandelholz. An Wandhaltern und in Ständern auf dem Tisch brannten große, weiße Kerzen. Über die Lautsprecher erklang eine Bach-Kantate, gerade laut genug, um wahrgenommen zu werden, aber nicht so laut, dass es die Unterhaltung störte. Der Raum war ganz wundervoll. Warum fühlte ich mich dann so unbehaglich?
Benny nippte an ihrem Wein und himmelte Tallmadge an, als sei er ein Filmstar. Sie schien sich gerade in ihn zu verknallen, und zwar schnell und heftig. Unterdessen sah Cormac überallhin, nur nicht zu mir, während er durch das Zimmer schritt und an den Wänden die großen Gemälde in vergoldeten Rahmen betrachtete, die in dem schwachen Licht kaum auszumachen waren. Dann setzte er sich auf die Couch, schlüpfte aus seinen Halbschuhen und verschränkte die Beine zur Lotusposition. Als professioneller Tänzer war Cormac dünn und geschmeidig. In der einen Hand einen Fuß, blätterte er mit der anderen müßig durch einen großen Bildband mit Fotografien. Selbst auf dem Kopf erkannte ich sie noch als die künstlerisch erotischen Bilder von Robert Mapplethorpe.
»Sollen wir uns hinsetzen?«, fragte Tallmadge. Seine Stimme klang sanft und silbrig, und die Worte wirkten wie über glatte Steine fließendes Wasser. Er war in jeder Hinsicht ein attraktiver Mann, von seiner äußeren Erscheinung bis hin zu seinen Manieren. Es überraschte mich nicht. Die meisten Vampire waren hübsch – zumindest äußerlich.
Ich beschloss, mich neben Cormac zu setzen, obwohl ich mich dabei ganz in die Ecke der Couch zwängen musste. Cormac und ich waren inzwischen deutlich besser befreundet als noch einige Jahre zuvor, aber wir vermieden trotzdem jeglichen Körperkontakt. Tallmadge ließ sich würdevoll auf einer Couch uns gegenüber nieder und sagte: »Benjamina, meine Liebe, bitte komm doch zu mir.« Mit einem strahlenden Lächeln setzte sich Benny neben ihn und stellte ihr Weinglas auf den Couchtisch zwischen den beiden Sofas.
»Kommen wir zum Wesentlichen«, sagte ich abrupt. Plötzlich gefiel mir gar nicht mehr, was sich da zwischen Tallmadge und Benny entwickelte. Ich wollte nur noch über das Geschäftliche sprechen und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden. »Wir sind ein Team, Tallmadge, und entweder gehörst du dazu oder nicht. Wir wissen alle, dass du der Organisation nicht freiwillig beigetreten bist, aber du bist wichtig für uns. Wir haben letzte Woche einen guten Agenten verloren …«
»Den besten«, warf Cormac ein.
»Amen«, fügte Benny hinzu.
»… und es sind große Fußstapfen, in die du trittst. Was du in deiner Freizeit machst, ist selbstverständlich deine Sache, aber wenn der Auftrag ernst wird, hat er Vorrang, und zwar rund um die Uhr.«
»Was genau soll das bedeuten?«, fragte Tallmadge. Er hielt sein Weinglas am Stiel fest und starrte in dessen dunkelrote Tiefen.
Ich wollte antworten, besann mich aber eines Besseren und sagte stattdessen: »Cormac, warum erzählst du es ihm nicht?«
Cormac hob sein langes, schmales Gesicht und nagelte Tallmadge mit seinem
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