Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)
Attentat betraf, erhöhte diese Nachricht die Gefahr um ein Vielfaches.
Ich sah mich um und entdeckte Moses Johnson an seinem üblichen Platz neben dem Wasserkühler. Er nickte mir zu. Ich grüßte ihn auf Pfadfinderart, was ihn zu einem finsteren Gesichtsausdruck veranlasste.
So viel zu dem Versuch, freundlich zu sein, dachte ich.
Während ich darauf wartete, dass Ginny ihr Telefonat beendete, ging ich im Kopf noch einmal die möglichen Verdächtigen für das Attentat durch. In meinen Augen konnte man irgendeinen durchgeknallten Einzelgänger wie Godse, den Mann, der Gandhi erschossen hatte, getrost ausschließen. Dieses Attentat war präzise geplant und nicht die Arbeit eines einsamen Revolverhelden. Wahrscheinlicher erschien es mir, dass der Killer von einer rassistischen Extremisten- oder Randgruppe engagiert wurde, ähnlich derjenigen, die James Earl Ray für den Mord an Martin Luther King jun. angeheuert hatte. Weiße Rassisten würden Daniel sicherlich nur zu gern aus dem Weg räumen, besonders, wenn er eine reelle Chance hatte, gewählt zu werden. Ihn einfach nur in Verruf zu bringen, wie J gesagt hatte, würde solchen Fanatikern niemals genügen.
Dank des Gesprächs mit Fudd versuchte ich mich von den üblichen Denkmustern zu lösen. Gage war kein Mitglied einer Randorganisation, sondern ein unabhängiger Auftragnehmer, der Geld für den Anschlag erhielt. Und der Auftraggeber war meiner Meinung nach kein Einzelner, sondern eine Gruppe. Aber wer fühlte sich von Daniels Politik so sehr bedroht, dass er ihn aus dem Weg räumen wollte?
Dieser Gedankengang eröffnete einige ganz neue Möglichkeiten. Zum einen bedrohte Daniel mit seinen »grünen« Ansichten jeden in den Vereinigten Staaten, der Interesse an Öl besaß. Daniel plädierte für die vollkommene Unabhängigkeit von ausländischem Öl innerhalb von zehn Jahren, und er hatte einen Plan ausgearbeitet, um dieses Ziel auch zu erreichen. OPEC und die großen Ölstaaten wanderten damit automatisch auf meine Liste der Verdächtigen. Daniel hatte es auch auf Industrien abgesehen, die mit der globalen Erderwärmung in Verbindung gebracht wurden, Chemiekonzerne, die giftigen Müll entsorgten, und Kohlekraftwerke, die immer noch sauren Regen mitverursachten. Er stand mit einer Menge mächtiger Leute auf Kriegsfuß.
Und obwohl Mar-Mar auf dem Gegenteil beharrte, hielt ich es nach wie vor für möglich, dass sich jemand in den oberen Rängen des Militärs oder der Geheimdienste Gage zunutze machte. Vielleicht stand er sogar bei ihnen auf der Gehaltsliste. Viele Leute in der Regierung glaubten, Krieg sei die Lösung für Amerikas Probleme. Öl wird gebraucht? Dann fällt man einfach in ein anderes Land ein und holt es sich. Terroristen sollen gestoppt werden? Dann jagt man sie einfach in die Luft, zusammen mit all den Zivilisten um sie herum. Der Anschlag auf Daniel ist Mord? Was soll’s. Einige Menschen kümmerten sich nicht darum, ob sie das Gesetz brachen, denn sie glaubten, über dem Gesetz zu stehen.
Und was war mit der Allianz zwischen einigen mächtigen Männern in der Regierung und bei Opus Dei? Daniel hatte ganz offen die konservativen Religionsanhänger angegriffen und propagierte eine klare Trennung von Kirche und Staat. Ich stellte mir bildlich vor, wie er die Regierung von allen Leuten mit Verbindungen zu radikalen religiösen Gruppen säuberte. Konnte das auch noch eine Rolle spielen? Ich wusste es nicht. Verdammt, ich wusste es einfach nicht.
Ginnys Stimme riss mich aus meinen Grübeleien.
»Daphne? Kann ich dir irgendwie helfen?« Sie war offenbar ziemlich beschäftigt, deswegen fasste ich mich kurz.
»Könnte ich Daniels aktuellen Zeitplan mit allen Terminen zwischen heute und nächsten Freitag bekommen? Und ich würde gern für ein paar Minuten mit ihm sprechen.«
»Den Zeitplan besorge ich dir. Einer der Freiwilligen soll ihn für dich kopieren. Aber ein Gespräch mit Daniel wird nicht so einfach. Ich sage ihm, dass du ihn sprechen willst, aber das Beste wird sein, wenn du eine Weile hierbleibst und auf eine günstige Gelegenheit wartest.«
»Wo ist er gerade?«, fragte ich und sah mich suchend um.
»Irgendwo hier. Zumindest war er das noch vor ein paar Minuten.«
»Ich habe ihn nicht gesehen, als ich hereingekommen bin.«
»Vielleicht ist er in einem Meeting mit Chip oder LaDonna. Frag einfach mal rum, okay?«, sagte sie, womit das Gespräch für sie ganz offensichtlich beendet war. Das Telefon klingelte erneut, und sie nahm ab.
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