Rendezvous mit Biss: Roman (German Edition)

Skateboard, aßen Hotdogs, schwenkten amerikanische Flaggen und marschierten mit einem Banner den Highway auf und ab, auf dem die Namen aller amerikanischer Gefallenen im aktuellen Krieg zu lesen waren. Innerhalb einer Woche wuchs sein kleiner Protest zu einer Massendemonstration mit über hunderttausend Beteiligten an. Viele kamen auch, um die großen Bands wie U2, Pearl Jam und Bon Jovi zu sehen, die sich an dem Protest beteiligten und ihn damit in ein spontanes Woodstock für den Frieden verwandelten.
    Daniels Botschaft – »Nein zum Krieg, ja zu unserem Planeten« – sprach immer mehr Amerikaner an. Ich hingegen war solchen Gutmenschen gegenüber misstrauisch. Ich hatte in den vergangenen Jahren schon viele Helden zu Halbgöttern werden sehen, und zusammen mit meiner natürlichen Abneigung gegen Politik hielt es mich davon ab, zu einem Fan von Joe Daniel zu werden.
    In diesem Moment warf Cormac mit seiner Tenorstimme ein: »Und warum ist die Bedrohung eines kleinen Politikers eine Situation, die Alarmstufe Rot auslöst? Ich will ja nicht zynisch klingen, aber man sollte doch meinen, dass die derzeitige Regierung froh wäre, ihn loszuwerden.«
    Während ich zustimmend nickte, fiel mir auf, dass Tallmadge mich abwägend musterte.
    J antwortete Cormac. »Die Information, die wir über das Attentat erhalten haben, ist derart verstörend, dass wir es als Alarmstufe Rot klassifiziert haben.« Er hielt kurz inne, um uns den Ernst der Situation bewusst zu machen, und fügte dann hinzu: »Sie finden sämtliche Einzelheiten auf der CD in der Mappe vor Ihnen …«
    Wie brave kleine Kinder in der Schule öffneten wir unsere Mappen. Sie enthielten eine unbeschriftete CD sowie ein einzelnes Blatt Papier. Ich sah auf. Tallmadges Blick ruhte erneut auf mir.
    »… aber ich fasse kurz zusammen, was wir bisher wissen. Erstens besteht die Möglichkeit, dass Daniels Ermordung ihn zu einem Märtyrer macht und eine plötzliche Welle öffentlicher Unterstützung für die Friedensbewegung entfacht, was so ziemlich das Letzte ist, was die derzeitige Regierung gebrauchen kann. Sie würden Daniel tatsächlich gern loswerden, Agent O’Reilly, allerdings indem sie ihn in Verruf bringen, nicht indem sie ihn töten lassen.
    Darüber hinaus haben wir ernstzunehmende Hinweise darauf erhalten, dass Daniels Ermordung nur der Anfang ist. Es sollen weitere sorgfältig geplante Anschläge auf bekannte Afroamerikaner, Latinos oder Menschen gleich welcher Hautfarbe stattfinden, die sich anschicken, Daniels Platz einzunehmen. Seine Ermordung könnte der Beginn einer langfristig geplanten Verschwörung sein, mit der man die amerikanische Regierung ins Wanken bringen und Aufstände im ganzen Land entfachen will. Sie werden sich vielleicht daran erinnern, wie 1967 Detroit, Newark und Los Angeles in Flammen aufgingen.«
    »Das erste Szenario klingt ein bisschen weit hergeholt«, sagte ich. »Ist das eine neuartige Dominotheorie?«
    J warf mir einen mürrischen Blick zu und erwiderte: »Vielleicht. Auf der anderen Seite glauben einige Analytiker, dass durch die Ermordung von Joe Daniel jeglicher Protest gegen die Politik der Regierung im Keim erstickt wird. Das ist schlecht, denn dann fände die Antikriegs-Haltung vieler Bürger kein Ventil mehr, der Druck der Unzufriedenen würde anschwellen, bis die ganze Sache schließlich explodiert. Das Ergebnis wären möglicherweise – erneut – öffentliche Unruhen.
    Eine dritte Theorie, mit der man herumspielt, ist folgende: Das eigentliche Ziel der Ermordung von Joe Daniel könnte sein, unsere nationalen Sicherheitskräfte derart mit den öffentlichen Unruhen abzulenken, dass unbemerkt ein größerer Terrorangriff durchgeführt werden kann.
    Aber gleichgültig, welches Motiv wirklich hinter dem Anschlag steckt, die Bedrohung von Daniel ist real und steht unmittelbar bevor. Sein Tod würde die Regierung im günstigsten Fall in eine peinliche Lage bringen und im schlimmsten Fall eine landesweite Krise auslösen. Und darum gilt Alarmstufe Rot.«
    »Wer steckt hinter dieser Drohung?«, fragte Benny.
    »Haben Sie handfeste Beweise dafür, dass irgendeines Ihrer Untergangsszenarien echt ist?«, wollte Tallmadge mit unerwartet streitlustiger Stimme wissen.
    »Moment! Lassen Sie mich der Reihe nach auf Ihre Fragen antworten. Zuerst zu der Sache mit den handfesten Beweisen«, erwiderte J und schüttelte dabei den Kopf, als habe Tallmadge die dümmste Frage der Welt gestellt. »Agent Tallmadge, im Spionagegeschäft