Rendezvous mit einem Mörder
den Schreien des Kindes, von ihrem wilden Klopfen an der Tür der Wohnung, von der ausgesprochenen Warnung und von all dem darauf folgenden Grauen.
»Du Bastard«, wisperte sie mit erstickter Stimme. »Aber damit wirst du mich nicht kriegen. Du wirst nicht dieses Baby dazu missbrauchen, um mich fertig zu machen.«
Doch ihre Finger zitterten, als sie sich aus dem Film ausklinkte, und als plötzlich jemand bei ihr klopfte, fuhr sie erschreckt zusammen.
»Wer ist da?«
»Hennessy aus Apartment 2-D.« Auf dem Bildschirm neben der Wohnungstür erschien das bleiche, ernste Gesicht des unter ihr wohnenden Nachbarn. »Tut mir Leid, Lieutenant Dallas. Ich wusste einfach nicht genau, was ich tun sollte. Hier unten in der Wohnung der Finesteins gibt es ein Problem.«
Seufzend dachte Eve an das ältere Ehepaar. Ruhig, freundlich, fernsehsüchtig. »Was ist denn passiert?«
»Mr. Finestein ist tot, Lieutenant. Einfach in der Küche umgefallen, während seine Frau fort war, um mit ein paar Freundinnen Mah-Jongg zu spielen. Ich dachte, vielleicht könnten Sie herunterkommen.«
»Ja.« Sie seufzte noch einmal. »Ich bin sofort da. Fassen Sie nichts an, Mr. Hennessy, und versuchen Sie dafür zu sorgen, dass niemand die Wohnung betritt.«
Aus reiner Gewohnheit meldete sie auf der Wache einen ungeklärten Todesfall und ihre Anwesenheit am Ort des Geschehens.
In der Wohnung der Finesteins war es vollkommen ruhig. Mrs. Finestein saß mit ordentlich im Schoß gefalteten schneeweißen Händen auf dem Sofa im Wohnzimmer, hob ihr von ebenfalls schneeweißem Haar gerahmtes] jtrotz Anti-Aging-Cremes und regelmäßiger Besuche im Schöhheitssalon inzwischen von feinen Falten durchzogenes Gesicht und bedachte Eve mit einem sanften Lächeln.
»Es tut mir Leid, dass ich Ihnen solche Umstände bereite, meine Liebe.«
»Kein Problem. Ist mit Ihnen alles in Ordnung?«
»Ja, mit mir ist alles in Ordnung.« Ihre sanften blauen Augen ruhten weiterhin auf Eve. »Heute hatten meine Freundinnen und ich unseren allwöchentlichen Spielabend. Als ich heimkam, fand ich ihn in der Küche. Er hatte Eiercreme gegessen. Joe hatte eine allzu große Vorliebe für alles Süße.«
Sie blickte hinüber zu Hennessy, der in der Tür stand und unbehaglich von einem Fuß auf den anderen trat. »Ich wusste nicht genau, was ich tun sollte, also habe ich bei Mr. Hennessy geklopft.«
»Das war durchaus richtig. Wenn Sie vielleicht eine Minute bei ihr bleiben würden«, wandte sich Eve an den Nachbarn.
Die Wohnung war ähnlich eingeteilt wie ihre. Trotz des Übermaßes an Schnickschnack und Erinnerungsstücken war sie in einem tadellosen Zustand.
Am Küchentisch mit dem Aufsatz aus Porzellanblumen hatte Joe Finestein sein Leben und einen beachtlichen Teil seiner Würde verloren.
Sein Kopf war zur Hälfte in die Eiercreme gesunken. Eve tastete nach seinem Puls, doch es war nichts zu spüren. Seine Haut war bereits deutlich abgekühlt. Eve schätzte ihn auf vielleicht einhundertfünfzehn Jahre.
»Joseph Finestein«, sprach sie pflichtgemäß in den Rekorder. »Männlich, Alter ungefähr einhundertfünfzehn Jahre, keine Anzeichen eines Einbruchs oder der Anwendung von Gewalt. Der Körper weist keinerlei Spuren auf.« Sie beugte sich ein wenig dichter über den Tisch, blickte in Joes weit aufgerissene Augen und schnupperte an der Creme.
Nachdem sie ihre ersten Eindrücke geschildert hatte, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück, um Hennessy zu entlassen und die Witwe zu befragen.
Es war Mitternacht, als sie endlich in ihr Bett kam. Die Erschöpfung zog an ihren Gliedern wie ein trotziges, gieriges Kind. Sie ersehnte und betete um Ruhe.
Keine Träume, befahl sie ihrem Unterbewusstsein. Nimm dir heute einfach einmal frei.
Doch als sie endlich die Augen schließen wollte, blinkte das Tele-Link auf ihrem Nachttisch.
»Schmor doch in der Hölle, wer auch immer du bist«, knurrte sie, bevor sie sich ein Laken um die nackten Schultern legte und das Gerät einschaltete.
»Lieutenant.« Roarke blickte lächelnd vom Bildschirm. »Habe ich dich etwa geweckt?«
»In fünf Minuten hättest du es getan.« Sie rutschte auf dem Bett herum, als es aus dem Lautsprecher auf Grund irgendwelcher atmosphärischer Störungen ein wenig rauschte. »Ich nehme an, dass du gut angekommen bist.«
»Allerdings. Es gab nur eine kurze Verspätung. Ich dachte, ich würde dich vielleicht noch erwischen, bevor du schläfst.«
»Gibt es irgendeinen besonderen Grund für diesen Anruf?«
»Nur
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