Rendezvous mit Mr Darcy
dürfen.« Sie knickste.
Doch bevor das Orchester wieder zu spielen begann, hörte sie über den Lärm hinweg eine vertraute Stimme. »Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!« George, ganz im Stil des Regency gekleidet, stand auf einem hölzernen Podium, um das sich die Menge zu versammeln begann. George wirkte, als hätte er sich für Halloween kostümiert; die Kniehose, der Gehrock und die Halsbinde passten überhaupt nicht zu ihm. Dennoch freute sich Chloe, ihn zu sehen, die Probleme der modernen Welt schienen besonders an diesem Abend sehr, sehr weit entfernt.
»Der nächste Tanz wird ein Walzer sein«, verkündete George. Die Menge klatschte und nickte.
Ein Kameramann drängte nach vorne, um George, der seine Stimme nun erhob, aus einem besseren Blickwinkel einfangen zu können. »Ein Walzer, der, wie die Teilnehmer unserer Show bestens wissen, 1812 sehr umstritten war.« Die Reichen und die Schönen blickten auf Sebastian und Chloe.
»Der Walzer, erstmals im 19. Jahrhundert eingeführt, erlaubte es einem Paar, sich in einer leichten Umarmung zu berühren, was 1812 einen ziemlichen Skandal verursachte.«
Die Menge lachte.
»Sie lachen, doch die Teilnehmer unserer Show haben sich während all der Wochen, in denen sie gefilmt wurden, kaum berührt.«
Wenn er wüsste!
»Anders als heute, hatte das Berühren in der Zeit des Regency noch eine besondere Bedeutung. Es galt als Zeichen der Verbindlichkeit. Und jetzt, ohne weitere Umschweife, zu einer der sicherlich pikantesten Aufgaben unseres gesamten Aufenthalts … dem Walzer.«
Chloe fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
George hob die Arme, und das Orchester begann zu spielen.
Gerade als Sebastians behandschuhte Hand sich anschickte, Chloes Empire-Taille zu umfassen, und sie ihre Hand ausstreckte, um sie auf seine Schulter zu legen, glitt Fiona mit wippender, weißer Feder zwischen sie.
»Miss Parker.« Sie riss die Augen weit auf und umklammerte mit ihrer behandschuhten Hand Chloes Arm. »Die Wehen haben bei Mrs Crescent eingesetzt, und sie bittet Sie, dringend zu kommen und ihr beizustehen!«
Chloes Herz setzte für einen Schlag aus. »W-was?«, stotterte sie.
»Mrs Crescent braucht Sie – jetzt –, es ist höchste Zeit!«
Chloes Arm, den sie fast um Sebastians Schulter geschlungen hätte, fiel schlaff nach unten. Ihre nackten Schultern sanken herab.
Die Paare um sie herum drehten sich und bildeten vor ihren Augen nur einen verschwommenen Farbflecken. Chloe spürte, wie die Kameramänner ihr Gesicht heranzoomten – dies war sicherlich nicht einer ihrer kameratauglichsten Momente, wie ihr mit untrüglicher Gewissheit klar wurde. Ihr Mund fühlte sich seltsam taub an, als hätte sie ein Betäubungsmittel gespritzt bekommen.
»Beeilen Sie sich!«, rief Fiona über die Musik hinweg.
Chloe wandte sich um, um zu gehen, doch Sebastian griff nach ihrem Arm, drückte ihn und zog sie zurück.
Sie riss sich los. »Ich muss gehen. Fiona – ist Henry schon dort?«
»Ja – das ist er«, antwortete Fiona.
Wenn das so war, blieb ihr nichts anderes übrig.
Sebastian zog seinen Arm zurück und verbeugte sich.
»Geben Sie Lady Anne Bescheid!«, rief Chloe über ihre Schulter hinweg zu Sebastian, während sie mühsam den Walzer tanzenden Paaren auswich, wobei sie sich wie eine Kugel in einem Flipperautomaten fühlte. Sie stieß mit der Ärztin aus London zusammen, die höhnisch grinste und immer noch nach Chanel roch. Am Rande der Tanzfläche holte Chloe tief Luft und nahm den Saal und die Walzermusik noch einmal in sich auf, als würde sie daraus Kraft schöpfen. In genau diesem Augenblick sah sie Fiona und Sebastian Walzer tanzen.
Doch anstatt einen Wutanfall zu bekommen oder sogar eifersüchtig zu sein, spürte Chloe – nichts. Sie wusste allerdings sehr wohl, dass mitunter, unter Schock, eine Taubheit einsetzte, um das zerbrechliche Herz zu schützen.
Was sie indes genau spürte, war die Kamera auf ihrem Gesicht, die von ihr zu Sebastian und Fiona schwenkte und wieder zurück zu ihr. Sie drehte sich auf ihren absatzlosen Schuhen um und sauste durch Dartworth Hall. Wenigstens war sie dieses Mal nicht als Diener verkleidet! Sie lief durch die Bibliothek in der Annahme, diese würde zur Ahnengalerie führen, doch war es gar nicht die Bibliothek. Ein Bett stand in dem Raum … es war das größte Schlafzimmer, das sie je gesehen hatte. Das Zimmer, das durch zwei langsam verglühende Feuer beleuchtet wurde, schien mit Büchern regelrecht tapeziert zu
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