Rendezvous mit Mr Darcy
zunächst links, dann rechts jeweils im Kreis. Sebastian und Henry schienen sich mit ihren Partnerinnen wie ferne Planeten auf einer Umlaufbahn zu bewegen, die sich weit, weit weg von Chloes Universum befand.
Sie dachte plötzlich, noch nicht einmal als Gast in diesen Ballsaal zu gehören. Wie hatte sie nur davon träumen können, einmal Herrin von einem Anwesen wie diesem sein zu können? Sie wusste nicht, wie man zweihundert Jahre alte bemalte Decken oder goldene Kronleuchter pflegte, die fünfzehn Meter über dem Boden hingen. Wie machte man Seidenvorhänge sauber, die von der Decke bis zum Boden die Länge von zwei Stockwerken besaßen?
Sie merkte, wie sie zu zittern begann, und versuchte, sich auf Sebastian zu konzentrieren, doch ihr Blick kreiste nur um Henry.
»Henry beherrscht diese Tänze wirklich gut«, sagte Lady Anne.
Chloe stimmte ihr zu. Er bewegte sich überaus sicher und leichtfüßig, während seine Partnerin, die Ärztin, immer wieder Fehler machte, doch irgendwie schaffte er es, sie zu korrigieren und ihre Schrittfolge wie bewusst gewählt erscheinen zu lassen. Egal wie faszinierend es auch war, ihm dabei zuzuschauen, Chloe konnte es trotzdem kaum ertragen, ihn Arm in Arm mit einer anderen Frau zu sehen, und sie musste sich abwenden.
Schließlich bildeten die Tänzerinnen und Tänzer wieder einen Kreis und zogen mit ihren Rückseiten an Chloe vorbei, einschließlich der Ärztin im blauen Kleid aus London.
In dem Moment, als die Musik lauter wurde, drückte Lady Anne ihre Hand auf Chloes Knie. »Seit wir hier im Ballsaal sind, lassen Sie Henry keine Minute aus den Augen, ist Ihnen das eigentlich bewusst?«
»Tatsächlich? Ich schaue ihn die ganze Zeit an?« Chloe musste sich zu einem Lächeln zwingen. »Nun, ich sehe kaum etwas, weil ich keine Brille trage. Genauso wenig wie Sie, wenn ich das sagen darf!«
Lady Anne lachte.
Der Tanz ging zu Ende, und Sebastian bat Chloe um den nächsten Tanz, den sie ihm auch gewährte. Sie deutete es als Zeichen, dass er mit ihr zusammen sein wollte.
Sie tanzten zu »Le Boulanger«, und dieses Mal war es Chloe, die sich auf die Figuren und Schritte konzentrieren musste. Noch etwas, das sie nicht so häufig geübt hatte, wie sie es hätte tun sollen.
Sebastian schien dieser Tanz vertraut zu sein, denn er konnte sich mühelos neben dem Tanzen der Konversation widmen. Er erzählte ihr von dem fünfunddreißig Zentimeter langen Fisch, den er vor Kurzem beim Fliegenfischen gefangen hatte. Und von dem speziellen Training, das ihm sein Trainer als Vorbereitung auf einen Boxkampf verordnet hatte und das aus dem Heben von Holzscheiten und dem Essen von rotem Fleisch bestand. Dann ließ er noch einmal den Moment Revue passieren, als er sie zum ersten Mal erblickt hatte, erinnerte sich an die Zeit, die sie in der Schlossruine verbracht hatten und daran, wie er sie aus dem Heckenlabyrinth getragen hatte, ohne auch nur das geringste Detail auszulassen. »Meine schönsten Erinnerungen an die letzten sechs Wochen sind die Momente, die ich mit Ihnen verbracht habe. Mit Ihnen allein.«
Während sie ihre Schritte zählte, begann sein Blick umherzuwandern. Als sie auf ihren Einsatz warteten, um die Reihe nach oben zu tanzen, blickte er zu einer Frau, die an einer Säule stand. Chloe blinzelte. Es war Fiona, gekleidet in ein goldenes Kleid mit einer weißen Feder im Haar. Es hatte den Anschein, als wäre sie gerade erst gekommen. Wie brachte Sebastian es nur fertig, ihr den Hof zu machen und gleichzeitig Fiona zu betrachten? Aber gut, sie hatte vor nur einer Stunde seinen Bruder in der Bibliothek geküsst. Vielmehr er sie. Genau genommen.
Chloe erspähte Henry, die Arme verschränkt, die blonden Augenbrauen zusammengezogen, die Haarsträhne hing ihm wieder ins Auge. Er ließ keinen Blick von ihr und Sebastian.
Da ging ihr ein Licht auf.
Henry bebte vor Zorn.
Mit neu gewonnener Energie tanzte sie die Reihe gegenüber von Sebastian hoch. Als sie oben angelangt war, schaute sie zurück nach Henry, doch er war plötzlich verschwunden.
»Dürfte ich Sie um das Vergnügen eines weiteren Tanzes bitten?« Sebastian verbeugte sich, und seine Muskeln am Oberarm zeichneten sich deutlich unter der engen Jacke ab. Es deutete auf ernste Absichten hin, wenn ein Mann dieselbe Frau zwei Mal hintereinander um einen Tanz bat. Würde sie ihm diesen Wunsch verweigern, müsste sie entsprechend der Etikette mindestens zwei Tänze auslassen, was eine ganze Stunde bedeuten würde.
»Ja, Sie
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