Rendezvous mit Mr Darcy
Ein Schauer lief ihr den Rücken herunter.
Ihre Mutter, die Lippen mit einem Chanel-Lippenstift geschminkt, gab ihr einen Kuss. Wie die beiden es schafften, sich immer noch den einen oder anderen Luxus zu gönnen, trotz ihres geringen Einkommens, überstieg Chloes Vorstellungsvermögen. Wie hatten sie sich den Flug hierher leisten können? »Mein Schatz, du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Und du hast abgenommen! Toll! Wirklich, mein Kind, wir sind so stolz auf dich.«
»Seid ihr das?« Chloe hakte sich bei ihrem Vater unter, um sich an ihm festzuhalten. War ihnen eigentlich bewusst, dass sie gleich heiraten würde?
Ihre Mutter zog die Nase kraus. »Ich fürchte, du brauchst eine Dusche.«
Das war lustig, denn erst gestern hatte Henry eine einfache Dusche auf Bridesbridge installiert. Nun ja, keine wirkliche Dusche, eher einen Eimer, aus dem für insgesamt eine Minute ein kalter Spritzer Wasser floss.
Chloes Mutter wedelte mit ihrer Hand vor Chloes Gesicht. »Hast du etwas getrunken, Chloe?«
Chloe atmete durch die Nase ein.
Ihre Mutter beugte sich zu ihr und flüsterte: »Dein Verlobter hat unsere Flüge bezahlt. Ein wahrer Gentleman. Er hat etwas Besseres verdient als eine betrunkene Braut auf seiner Hochzeitsfeier.«
Mrs Crescent kam den Weg zur Kirche herauf. Sie räusperte sich. »Ähm. Ich bin Mrs Crescent.« Sie hielt ihre Hand hin, die von Chloes Vater mit einem Handkuss bedacht wurde.
Mrs Crescent wurde rot, da der Handkuss im neunzehnten Jahrhundert – im Gegensatz zum achtzehnten Jahrhundert, wo er ein gesellschaftliches Muss dargestellt hatte – viel mehr Bedeutung besaß. Aber woher hätte ihr Vater das wissen sollen?
Chloes Mutter drängte sich zwischen ihren Mann und Mrs Crescent, wenngleich auf dem Treppenabsatz ausreichend Platz war. »Ich freue mich so, Sie kennenzulernen. Ich bin Mrs Parker.« Sie streckte ihre Hand aus. »Wissen Sie, meine Großmutter war eine englische Adlige.«
Chloe errötete über und über, doch Mrs Crescent schien diese Mitteilung nicht weiter zu beeindrucken.
»Vielleicht kannte Ihre Familie sie. Lady Blackwell?« Mrs Parker wartete einen Augenblick. »Lady Anne Blackwell?«
Mrs Crescent schaute nach der Uhrzeit auf ihrer Chatelaine. »Nein, ich fürchte, ich kenne Ihre Familie nicht.«
Chloes Mutter warf ihren Kopf zurück, doch mit einem Biedermeierhut auf dem Kopf verloren solche Gesten ihre Wirkung. »Nun, in Chicago ist unsere kleine Chloe eine ziemliche Berühmtheit.«
»Tatsächlich?« Chloe öffnete ihr silbernes Riechfläschchen und hielt es sich an die Nase. Sie fühlte sich zunehmend schwächer.
Chloes Mutter steuerte nun das gesamte Gespräch mit Mrs Crescent. »Alle verfolgen den Blog, die Bei-träge auf Twitter …«
Chloe stampfte mit ihren Kalbslederpumps auf die Kirchenstufen, doch diese verursachten kein Geräusch, es schmerzten ihr nur die Füße davon. »Blog! Twitter! Wer schreibt da in dem Blog?«
»Nun, dein Verlobter, meine Liebe …«
»Er ist nicht mein Verlobter!« Sie streckte sich und verschränkte die Arme, während ihre Mutter, sich plötzlich der Kamera bewusst werdend, ein zuckersüßes Gesicht aufsetzte.
Sie strich ihr Kleid glatt, lächelte und sprach direkt in die Linse. »Wir sind so aufgeregt, dass sie einen englischen Gentleman heiratet. Stellen Sie sich nur vor.« Sie klatschte in ihre behandschuhten Hände. »Ein englischer Gentleman wählt eine Amerikanerin …«
»Stellen Sie sich nur vor«, unterbrach Chloe sie und schwang die Kamera zu sich. »Ich habe seit drei Wochen keine Toilette mehr benutzen können, und er twittert …« Sie schlug mit dem Biedermeiersträußchen gegen die Kirchentür, die genau in diesem Moment aufging, sodass der Blumenstrauß im Gesicht des Vikars landete.
»Oh, entschuldigen Sie, Sir, äh, ich meine, Herr Pfarrer – vielmals.«
Als ihr Vater sich bückte, um das Biedermeiersträußchen aufzuheben, eilte ihre Mutter zu dem Vikar, um sich mit gedämpfter Stimme bei ihm für das Benehmen ihrer Tochter zu entschuldigen.
Chloes Vater legte den Arm um sie und nickte mit dem Kopf in Richtung Videokamera, während er flüsterte: »Diese Kameras, Chloe, sie filmen dich. Denk an deinen Ruf. An Abigail. An unsere Familie. An den Ruf der Familie. Sie machen überall im Internet mit einer Vorschau für diese Sendung Werbung. In einem Monat wird sie weltweit im Fernsehen zu sehen sein. Wir sind hierhergekommen, weil wir dachten, du würdest das wollen.«
»Das dachte ich
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