Rendezvous mit Mr Darcy
neununddreißigjährige Geschiedene mit einer achtjährigen Tochter in den Staaten, ganz zu schweigen von ihrem frivolen Eishauserlebnis, schien es ausgesprochen fragwürdig zu sein.
Sebastian, der Schuft, in einen schwarzen Cutaway, weiße Kniehose und schwarze Schuhe gekleidet, sah haargenau so aus, wie es die ihm zugewiesene Rolle vorschrieb. Chloe konnte ihm ansehen, dass ihm ihre Brille absolut nicht gefiel. Er kniff die Augen zusammen und räusperte sich immer wieder, während der Vikar sprach.
Wieder und wieder schaute sie am Rand ihrer Haube vorbei auf Henry.
Der Vikar hatte bereits mit der Trauzeremonie begonnen. »… und soll daher von niemandem leichtfertig eingegangen werden, oder unkeusch, nur um des Menschen fleischliche Gelüste und Begierden zu befriedigen wie rohe Tiere ohne Verstand …«
Wie könnte man eine Ehe leichtfertig eingehen? Sie schaute hoch zu dem Rosettenfenster.
»… sondern vielmehr ehrfürchtig, diskret, wohlbedacht, nüchtern und in Gottesfurcht; und den Zweck gebührend beachtend, für den die Ehe geschaffen wurde.«
Gut, sie war nüchtern. Viel nüchterner als heute Morgen, als sie in der Morgendämmerung das Laudanum zu sich genommen hatte. Zwei Videokameras schwenkten auf sie.
»… sollte einer von Ihnen ein Hindernis kennen, nicht in den rechtmäßigen Stand der Ehe treten zu können, führe er es jetzt an …«
Chloe schaute hoch zu dem Vikar und öffnete ihren Mund. Sie fürchtete, nichts herauszubekommen, doch dann schaffte sie es.
Chloe ließ ihr Biedermeiersträußchen aus Rosen auf den Steinboden fallen. »Ich kann ihn nicht heiraten.«
»Wie bitte?« Das Buch des Vikars glitt von seiner Brust zur Seite. Ein großes Rascheln, Scharren und Flüstern setzte hinter ihr ein.
»Na, da bin ich aber froh!« Grace stand auf. »Das erspart mir, selbst ein Hindernis – oder zwei – anzuführen.«
Chloes Mutter stand auf und lehnte sich auf die Kirchenbank vor ihr, offensichtlich, um Stärke zu demonstrieren. Und Henry – aber wo war er?
Chloe schaute Sebastian direkt in die Augen. »Ich kann nicht den falschen Mr Wrightman heiraten. Auch wenn es nur für das Fernsehen ist.« Ihre Augen wanderten suchend in den Kirchenraum. Henry war verschwunden.
Murmeln stieg bis zur Gewölbedecke der Kirche hoch.
Sebastian packte sie am Arm. »Was soll das?« Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Das kannst du mir vor all den Leuten doch nicht antun.«
Mrs Crescent trat vor zum Hochzeitspaar. »Das meint sie nicht so. Sie ist nur nervös. Lassen Sie mich mit ihr reden.«
Der Vikar legte die Stirn in Falten.
Die Kameras blieben auf Chloe gerichtet.
»Lassen Sie mich los!«, sagte sie und riss ihren Arm von ihm weg. Ein Sonnenstrahl fiel durch das Rosettenfenster. »Sie sind kein Gentleman. Und das werden Sie auch nie sein. Sie sind weder nachdenklich noch schweigsam. In Wirklichkeit weiß ich gar nicht, was Sie sind, genauso wenig wie Sie wissen, was – oder wen – Sie wollen. Mir ist es egal, wie viel Geld Sie haben – Sie können es sich meinetwegen in Ihre Reithose stecken.«
Sebastian trat mit verzerrtem Gesicht einen Schritt zurück.
Die Köchin – Lady Anne – kam auf den Altar zu. »Miss Parker – lassen Sie es mich erklären.«
»Nein, lassen Sie es mich erklären.« Chloe stand neben dem Marmoraltar, über dem ein kastanienbrauner Tischläufer hing. Ihre Stimme hallte durch die Kanzel. »Der wahre Gentleman hier ist Henry, der weder siegen noch etwas gewinnen kann. Der Rest von uns ist nur eine Ansammlung moderner Versager in Kleidern und Cutaways, die heucheln. Grace heuchelt, um so das Land ihrer Familie, das ihr Urururgroßvater beim Spielen verloren hatte, wiedergewinnen zu können. Ich heuchle und gebe vor, nicht geschieden zu sein und keine achtjährige Tochter zu haben, die zu Hause auf mich wartet.«
Die kleine Menge schnappte nach Luft. Henry war immer noch nirgendwo zu sehen.
»Ich dachte, das hier wäre echt, doch das ist es nicht. Alle heucheln – außer natürlich Lady Anne, die, soweit ich das beurteilen kann, die einzig Ehrliche hier ist. Aber der Rest von uns? Wir können uns noch nicht einmal benehmen wie Menschen des Regency. Wir wissen zu viel, wir haben zu viel gesagt und getan, um auch nur vortäuschen zu können, im neunzehnten Jahrhundert zu leben. Hier, Grace.« Chloe warf ihr das Biedermeiersträußchen zu, und diese fing es auf. »Heiraten Sie ihn. Fürs Fernsehen. Oder im richtigen Leben. Für das Land oder für das
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