Rendezvous mit Mr Darcy
Wohl Ihrer Eltern und Ihrer jüngeren Schwester, Abigail, …
Chloe hielt inne. Abigail. Sie presste ihre Augenlider einen Moment lang zu.
… und Ihrer jüngeren Schwester, Abigail, ist von Ihrem Erfolg abhängig. Mrs Crescent, Ihre Anstandsdame, wird Sie in der englischen Gesellschaft einführen. Viel Glück.
Die Inhaltsangabe umfasste auch Kapitel zu »Regeln des Bogenschießens«, »Benehmen im Ballsaal«, »Ihre Anstandsdame«, »Etikette beim Dinner« und »Sexuelle Benimmregeln«. Hmm. Sie blätterte vor zu diesem sehr kurzen Kapitel:
Eine Dame würde nie vor ihrer Heirat eine sexuelle Beziehung zu einem Herrn eingehen. Eine derartige Verbindung würde ihren Ruf, ihre gesellschaftliche Stellung und ihre Aussichten gefährden, jemanden ihresgleichen oder Höherstehenden zu heiraten. Ein falscher Schritt, und eine Dame könnte aus der Gesellschaft verstoßen werden und fortan ein Leben voller Armut und Verderbtheit führen müssen, dazu verurteilt, stets das Dasein einer Außenseiterin zu fristen. Eine Dame darf erst geküsst werden, wenn sie regulär verlobt ist. Vor ihrer Verlobung darf ein Herr eine Dame nicht berühren, außer er hilft ihr in die Kutsche, tanzt mit ihr auf einem Ball oder begleitet sie auf einem Spaziergang im Garten mit ihrer Anstandsdame. Er darf sie nur unter außergewöhnlichen Umständen und im Notfall berühren, wenn die Dame sich in Schwierigkeiten befindet.
Chloe blickte nach hinten zu dem Gasthof, dem Wohnwagen und George, doch sie befanden sich bereits außer Sichtweite. Plötzlich überkam sie das Gefühl, eine Million Meilen entfernt von amerikanischen Männern, der Arbeit, Fernsehern, Computern, Telefonen – und Abigail – zu sein.
Das Regelbuch glitt von ihrem Schoß. Sie lehnte sich nach vorne und bemühte sich, es trotz der Miederstange aufzuheben, die sie in ihren Bewegungen einschränkte. Der Kameramann auf dem Geländewagen fuhr mit dem Oberkörper zurück, um ihre Brüste besser einzufangen, doch sie schlang das Umhängetuch fester um ihre Schultern.
Die Kutsche ruckelte einen Hügel hinauf und hielt an. Staub stieg von der Straße hoch, woraufhin Chloe husten musste und in den Pompadour nach ihrem Fächer griff.
Der Kutscher drehte sich um und tippte mit dem Finger an seinen Hut. »Da ist es, Miss.«
Chloe warf den Fächer beiseite, legte die Hand über die Krempe ihrer Haube und stand ehrfürchtig auf. Eingebettet in einem Tal weiter weg erhob sich auf einer Grünfläche ein Herrenhaus im Queen-Anne-Stil mit einem viersäuligen Portikus und Steinurnen in den vier Ecken des Daches.
Sie fiel wieder zurück auf den Sitz in der Kutsche. »Ist – ist das sein Anwesen? Das von Mr Wrightman?«, fragte Chloe.
»Nein, Miss.« Der Kutscher lachte. »Das dort ist Bridesbridge Place, wo Sie zusammen mit den anderen Damen wohnen werden.«
Chloe hatte sich im Traum nicht vorgestellt, die nächsten drei Wochen in solch einem Luxus zu leben. Sie hatte sich ein Cottage ausgemalt. Sie sank noch weiter in ihren Sitz und fächelte sich Luft zu, zugleich schockiert und müde von der Zeitverschiebung.
»Das Anwesen von Mr Wrightman – Dartworth Hall – liegt noch fast eine Meile entfernt von Bridesbridge«, erklärte der Kutscher. »Sie können es von hier aus nicht sehen.« Er ließ die Zügel schnellen, und die Kutsche rollte weiter.
Der Himmel über ihr wurde breiter, während die Bäume lichter wurden. Die Luft roch nach frischem Regen, und in der Ferne erklangen Kuhglocken. Wiesen mit Schafen und Kühen darauf gingen über in glitzernde Grasflächen und ergaben ein Idyll wie auf einem Bild von John Constable. Die schmutzige Straße verwandelte sich in feinen Kies, während die Kutsche sich dem ockerfarbenen Tor von Bridesbridge Place näherte.
»Wie schön!«, flüsterte Chloe beinahe unhörbar.
Ein Schuss ertönte. Die Kutsche machte eine ruckartige Bewegung nach vorne und fiel dann zur Seite. Chloe schrie auf. Die Pferde schnaubten und traten mit ihren Läufen, als der Kutscher und sie von der auf der Seite liegenden Kutsche auf das weiche, schwammige Gras stolperten. »Entschuldigung«, ertönte eine sanft klingende Stimme mit englischem Akzent von hinten. Chloe konnte durch das grelle Licht und trotz ihres leicht benommenen Zustands eine große Frau in einem knöchellangen Spazierkleid mit einem roten Turban ausmachen, die eine klobige Pistole in der Hand hielt. Der Kameramann filmte unbeirrt weiter.
Die Frau, der etwas Verführerisches anhaftete, schaute Chloe
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