Rendezvous mit Mr Darcy
Haube, sondern eine Tiara oder einen Turban. Sie zog an der Schleife unter ihrem Kinn.
George trat einen Schritt zurück, um sie zu betrachten. »Ich finde es sehr interessant zu beobachten, welche Personen die Willensstärke besitzen, sich mit allen dazu gehörenden Konsequenzen in die damalige Zeit zu versetzen, und welche nicht.«
»Ich mag Regeln«, erklärte Chloe. »Die Umgangsformen und die Etikette des Regency. Das ist der halbe Spaß.«
Er grinste und öffnete die Wohnwagentür. »Und keine Handys.«
Sonnenlicht fiel auf sie herab. George setzte seine Fliegersonnenbrille auf. »Sollen wir? Die Kutsche wartet.« Er bot ihr seinen Arm an.
Sie schaute über die Schulter zurück auf ihren unberührten Latte Macchiato, der auf dem Tisch stand. Die Kupferbadewanne im Fernseher Nummer drei war ausgeleert und umgedreht worden und lehnte an der verkleideten Wand. Chloe hakte sich bei George unter. Am Schluss hatte er diese Runde doch noch gewonnen.
Der Ausblick, der sich ihr von der obersten Stufe des Wohnwagens aus bot, besänftigte sie. In England erschien ihr das Gras grüner, die Bäume knorriger und die Schafe mit ihren Hörnern und der langen Wolle malerischer. Das musste schon deshalb so sein, weil es so etwas in Chicago natürlich nicht gab. Die Schafe blökten, als Chloe und George an dem Gasthof vorbeispazierten, der aus der Tudorzeit stammen musste. Sie gingen an einem Kohlrosengarten, einer verfallenen Steinmauer und an einem Bach vorbei, der neben dem Weg munter dahinplätscherte, und Chloe sog all diese Eindrücke begierig in sich auf. Dann näherten sie sich von hinten der Kutsche, und Chloe bemerkte einen Stapel verwitterter Holztruhen, die mit Riemen festgezurrt waren.
»In diesen Truhen«, klärte George sie auf, »befindet sich Ihre Garderobe für die nächsten drei Wochen. Alles – Ihre Kleider, Umhängetücher, Schuhe –, alles wurde für Sie in Ihren Lieblingsfarben nach Maß geschneidert. Grün, gelb und rot. Die Menschen damals nannten es ›Pomona‹, ›Jonquil‹ und ›Cerise‹. Ich hoffe, es findet Ihre Zustimmung.«
Chloe schaute hinunter auf ihre Schuhe. Auch wenn sie dünn waren und weder eine Einlage noch Absätze besaßen, saßen sie perfekt an ihren Füßen, Größe 39. Ihr war noch nicht einmal in den Sinn gekommen, dass man für sie alles hatte maßschneidern müssen. »Vielen Dank. Mir war nicht klar …«
»Schon gut.« Er wies auf die blitzende Kutsche. »Mr Wrightman hat eine seiner Kutschen geschickt, um Sie abzuholen. Nicht einmal eine Erbin könnte sich eine solche leisten.«
Die offene schwarze Kutsche auf vier Rädern mit Speichen, Messingbeschlägen und einem goldenen Familienwappen, auf dem ein W , ein Falke und ein Pfeil abgebildet waren, schimmerte im Sonnenlicht. Ein Kutscher in einem roten Mantel zog seinen Dreispitz zum Gruß, und die vier Pferde scharrten mit den Hufen.
»Umwerfend!« Chloe fuhr mit ihrer behandschuhten Hand seitlich an der Kutsche entlang. »Ich habe mich noch nie wirklich für Autos interessiert, aber einen Landauer kann ich jederzeit von einer Halbkutsche unterscheiden. Er ist wunderschön.«
Ein Diener, der keinen Tag älter als achtzehn sein konnte, streckte ihr seine Hand entgegen, die in einem weißen Handschuh steckte, öffnete die Halbtür der Kutsche und half ihr in das mit rotem Samt ausgekleidete Innere. Sie nahm auf dem gesteppten Sitz Platz, schlug die Beine übereinander, legte den Sonnenschirm und das Regelbuch in ihren Schoß und schaute hinunter auf George. Sie fühlte sich tatsächlich wie eine Erbin.
George setzte seine Sonnenbrille für einen Moment auf. »Ihre Anstandsdame, Mrs Crescent, erwartet Sie auf Bridesbridge Place …«
Chloes Schultern fielen nach unten, wodurch das Umhängetuch nach hinten glitt. »Meine Anstandsdame …?« Sie wusste, dass Anstandsdamen ein absolutes Muss waren, aber sicherlich nicht für eine Person in ihrem Alter. »Bin ich für eine Anstandsdame nicht zu alt?«
»Neununddreißig ist nicht so alt, wie Sie denken, Miss Parker. Sie sind eine alleinstehende Frau, und es wäre unschicklich, wenn Sie sich alleine in der Gesellschaft bewegten. Ihre Anstandsdame ist ein paar Jahre älter als Sie, und es ist Ihre Pflicht, sie respektvoll zu behandeln. Lesen Sie auf dem Weg Ihr Regelbuch durch. Die Fahrt geht über fast vier Meilen durch den Wildpark.«
Er schob die Sonnenbrille wieder zurück auf seine Nase und sah – gut aus. Dann legte er eine Hand auf die Kutsche. »Viel
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