Rendezvous mit Mr Darcy
es wie Mundwasser schmeckte. Fiona bot ihr ein zweites Mal davon an, doch Chloe schüttelte den Kopf. »Danke, Fiona, mir geht es wirklich schon besser.« Fiona gab sich mit dieser Auskunft zufrieden und entfernte den scheußlichen Trank.
Chloe empfand immer stärker, wie leblos ihr Arm sich angefühlt hatte, so, als sei er eingeschlafen. Vorsichtig blickte sie an sich hinunter, um nicht wieder schwindelig zu werden. Doch irgendjemand hatte ihr ein Lederband um den Oberarm gebunden, das sie erst losbinden musste. Auf ihrem Nachttisch, neben dem silbernen Kerzenhalter, entdeckte sie ein Glas, in dem sich etwas bewegte, ja hin- und herglitt. Der Anblick erinnerte sie an Maden. Ratlos starrte sie auf das Glas, bis ihr ein Licht aufging. Es waren Egel! Egel, die das Blut von kranken Menschen saugten, wie man sie damals, im neunzehnten Jahrhundert, zur Therapie einsetzte. Und das Lederband war eine sogenannte Aderpresse. Dann erkannte sie auch die Flüssigkeit im Glas, es war Blut, die Egel wanden sich im Blut. Entsetzt fuhr sie nach oben. Hatte er sie etwa zur Ader gelassen?
Am liebsten hätte sie aufgeschrien. Eine Schimpfkanonade losgelassen. Ihm, wenn möglich, die Waschschüssel auf den Kopf geschlagen. Stattdessen räusperte sie sich nur. »Entschuldigen Sie, Mr Wrightman?«
Er war gerade dabei, seine schwarze Arzttasche völlig ungerührt zu packen.
»Sie haben mich nicht zufällig mit den Egeln zur Ader gelassen, oder?« Sie ließ die Aderpresse hin- und herbaumeln.
Er trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme, nahm die Brille herunter und sah plötzlich nicht mehr aus wie ein Bibliothekar. Wäre sie nicht so verärgert gewesen, hätte sie ihn sogar in seiner großen, blassen, blonden Art für attraktiv halten können.
Sie ließ ihren Arm mit der Aderpresse auf die Matratze hinuntersinken. Wie kam ausgerechnet er dazu, beleidigt zu sein? Das Kleid mochte auserlesen sein, das Boudoir bezaubernd, aber sie war nicht den ganzen Weg von Chicago hierhergereist, um als Zielobjekt für Schüsse zu dienen und beim Aderlass zu verbluten. Nur um sich jemanden zu angeln, der kein junger Mann des Regency war, sondern irgendein blutsaugender Vampir mit Brille.
Sie schwang ihre Beine aus dem Bett, um aufzustehen. »Nun, es war ein Vergnügen, Sie alle kennengelernt zu haben, aber ich glaube, ich fahre jetzt besser nach Hause. Fiona, bitte ruf mir eine Kutsche.« Sie stellte sich auf ihre bestrumpften Füße, doch ihre Knie gaben nach, als ihr das Geld und die vage Möglichkeit einer eventuellen Liebe einfielen, wenngleich dieser Gedanke schnell verblasste. Sie dachte an den Mann in der Badewanne und auf dem Feld. War er womöglich ein Pferdebursche oder vielleicht der Sohn eines Gärtners, der die Gunst seines Herrn genoss? Selbst wenn es sich so verhielte, wäre es Chloe in ihrem Erbinnendasein noch nicht einmal gestattet, sich mit ihm zu unterhalten.
Mr Wrightman führte sie zurück zum Bett und hieß sie, sich auf der Matratze niederzulassen, die mit Stroh gefüllt zu sein schien.
Mrs Crescent eilte herbei und setzte sich so nahe neben Chloe, dass der Mops ihren Arm zu lecken begann. Unangenehm berührt rückte Chloe schnell von ihr weg.
»Mr Wrightman hat Sie nicht zur Ader gelassen, meine Liebe. Schauen Sie sich Ihren Arm doch einmal an. Sehen Sie irgendwo offene Wunden?«
Sie schaute auf beiden Armen nach. »Nein.«
Fiona öffnete die Schranktüren und hängte ein gelbes, dann ein grünes und dann noch ein weiteres weißes Kleid in den Schrank, eines edler als das andere.
Chloe biss sich auf die Lippen und zwang sich, auf die im Blut befindlichen Egel zu schauen, die sich daran gütlich taten und munter hin- und herglitten, den Bauch vollgeschlagen und glücklich wie Koffeinabhängige nach dem Genuss von Espresso.
»Wessen Blut ist dies sonst?«, fragte sie mit gezwungener Höflichkeit, um dann so weit wie möglich von dem Glas wegzurücken.
»Das ist Schweineblut«, erklärte Mr Wrightman. Er nahm das Glas mit den Egeln in die Hand, als befände sich edler Rotwein darin. »Ich bringe sie weg.«
»Warum haben Sie dann meinen Arm abgebunden?«
»So etwas würde jeder Apotheker tun, wenn eine Lady, die nicht in Ohnmacht gefallen ist, das Riechsalz wegschieben würde. Aber glücklicherweise war ein Aderlass nicht notwendig. Diesmal.« Er zwinkerte ihr zu.
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Der Mops war inzwischen zu ihr ins Bett gesprungen und stupste ihren Arm mit seiner feuchten Nase, als wollte
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