Rendezvous mit Mr Darcy
Sebastian. »Ich möchte ganz gewiss nicht nach Hause geschickt werden«, erklärte sie. »Ich fühle mich sehr geehrt, hier sein zu dürfen. Es ist eine solch – aufregende – Erfahrung.« Sie wollte trotz allem doch seine Aufmerksamkeit.
Sebastian blickte auf den Billardtisch, nicht zu ihr.
Henry überlegte sich seinen Stoß. »Hast du schon viele derartige Erfahrungen in deinem jungen Leben gemacht, Charles?« Er sah sie mit einem verschmitzten Blick an.
»Diese hier zählt sicherlich zu einer der aufregendsten.«
Henry zog eine Augenbraue hoch und führte seinen Stoß aus. Das dumpfe Geräusch erinnerte Chloe an ihr bevorstehendes schlimmes Ende, sollte Henry beschließen, sie zu verraten.
Zwei Kugeln versanken im linken Eckloch. Henry würde sie doch nicht bloßstellen, bevor sie die Möglichkeit hätte, sich zu entschuldigen? Falls doch, müsste sie noch heute Abend ihre Koffer packen. Ihr kam die Jacke ihrer Livree schwer vor.
Sebastian glitt gefährlich nahe an Chloe vorbei und griff über ihren Kopf hinweg nach einer Schnupftabakdose, die auf einem hohen Regalbrett lag. Die Nähte seiner Hemdsärmel saßen gerade unterhalb seiner breiten Schultern, und die aufgebundene Halsbinde hing lässig um sein Schlüsselbein. »Mir tut aus irgendeinem Grund der Fuß weh.« Er schleuderte seine Stiefel auf einen Stuhl.
»Gicht«, erklärte Henry. »Kommt von zu viel rotem Fleisch und Rotwein, Sebastian.«
Sebastian warf einen flüchtigen Blick hinüber zu Chloe. »Was ist, mein Junge?« Er sah sogar gut aus, wenn er sich Schnupftabak in die Nasenlöcher zog und in seinen Ärmel schniefte.
Chloe schluckte, schob die Brille der Köchin die Nase hoch und senkte vorsichtig ihre Stimme auf das angemessene Niveau. »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, mein Herr, dass der in Miss Parkers Pompadour gefundene Gegenstand ihr untergeschoben wurde, und ich verbürge mich für ihre Unschuld. Es entspricht nicht ihrem Charakter, so etwas zu tun.«
Sebastian wanderte um den Billardtisch herum bei der Überlegung, wie er seinen nächsten Stoß führen sollte. »Das ist uns völlig klar. Wir fallen auf die lächerlichen Streiche nicht herein, die sich diese Frauen auf Bridesbridge Place gegenseitig spielen.«
Das war beruhigend zu wissen, wenngleich es die Frauen etwas herabwürdigte.
Auf der anderen Seite des Raums, neben dem Feuer, hob Henry wieder sein Weinglas, atmete die Blume des Weins ein und stellte das Glas beiseite. Chloe konnte praktisch schmecken, wie der Wein ihr über die Zunge glitt und weiter die Kehle hinunterlief … Wenn sie doch nur einen Schluck davon haben könnte, um ihre flatternden Nerven zu beruhigen.
»Und wie sieht Miss Parkers Charakter genau aus?«, fragte Henry. Er kam auf sie zu, lehnte sich gegen den Rand des Billardtisches und schaute ihr direkt in die Augen.
Noch nie hatte ihr ein Mann je zuvor diese Art von Frage gestellt. Angst durchzuckte sie, als Sebastian seinen Stoß machte. Eine Kugel prallte von der Bande des Billardtischs ab, verfehlte aber das Loch.
»Sagen Sie schon, Charles«, meinte Sebastian. »Ich würde es auch gerne wissen.«
Henry nahm seine Brille ab, klappte sie zusammen und legte sie oben auf den Kaminsims. »Ich vermute, du bist häufig genug in ihrer Nähe, um das zu beurteilen.« Er lächelte, und Chloe bemerkte zum ersten Mal ein Grübchen auf der linken Seite seiner glatt rasierten Wange. So wie auch seine Koteletten perfekt geschnitten waren.
Sie drehte sich zu Sebastian um, der gerade seinen Queue einkreidete. Das war ihre Chance, alles auf dem neoklassizistischen Billardtisch aus Mahagoni auszubreiten. »Miss Parker scheint mir, soweit ich das beurteilen kann, eine wunderbare Person zu sein. Sie verkörpert die guten, alten Werte.« Chloe verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken. Über dem Billardtisch hing eine Vorrichtung mit Kerzen, deren Wachs auf ein Tablett darunter tropfte; sie bemerkte, dass nicht viel Licht davon ausging, und seufzte erleichtert.
Sebastian schritt hinüber zu seinem leeren Weinglas. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich all diesen Quatsch glauben soll.«
Henry stand hinter ihr und meinte: »Und einer dieser Werte ist – Ehrlichkeit? Und ein anderer – Loyalität gegenüber ihren Freunden?«
Chloe schob abermals die Brille der Köchin auf ihrer Nase hoch. »Ja und ja. Sie scheint sehr ehrlich und allen gegenüber nett zu sein.«
»Nun ja, mein lieber Charles«, wandte Henry ein, »du bist neu auf Bridesbridge. Wie solltest
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