Rendezvous mit Mr Darcy
der Halle schlug elf, Zapfenstreich für die Damen. Nur die Männer durften um diese Uhrzeit noch unterwegs sein. Als Chloe aus dem Fenster hinaussah, schien ihr ein Himmel voller Sterne zuzuwinken. Der Wodka hatte es geschafft, ihre vernünftige Seite so weit zu dämpfen, dass sie bereit war, ihren Impulsen zu folgen.
»Zeit, schlafen zu gehen«, verkündete Mrs Crescent.
Chloe ging mit hängendem Kopf zur Tür. Da sie ziemlich betrunken war, stieß sie versehentlich den Wäschekorb um. Als sie die Wäsche wieder in ihn hineinlegte, kam ihr ein Gedanke.
Sie könnte Dartworth besuchen, ganz legal – aber als Mann verkleidet! Sie schwang den Wäschekorb auf ihre Hüfte und sprang mit dem Kerzenleuchter in der anderen Hand die Treppe hinauf. Oben angekommen, ließ sie die Tür auf äußerst damenhafte Weise ins Schloss fallen.
Nachdem sie das Feuer angefacht hatte, um das Zimmer zu wärmen, da die Luft selbst in dieser Sommernacht frisch war, nahm sie die Kniehose eines Dieners aus dem Korb und hielt sie an ihren Körper. Sie würde nicht wirklich die Regeln brechen, wenn sie ein »Mann« wäre. Das Kunststück war es, die Regeln zu beugen und nicht erwischt zu werden, so wie Grace es mit ihrem abendlichen Glas Wein, den diversen Techtelmechteln mit den gut aussehenden Dienern, und weiß der Himmel noch was tat.
Vielleicht war es auf den Wodka zurückzuführen, doch als sie die weißen Strümpfe, die eng anliegende Kniehose und die Jacke mit den Messingknöpfen angezogen und ihr Haar unter den schwarzen Hut gesteckt hatte, betrachtete sie sich in dem bodenlangen Spiegel, warf den Kopf zurück und fand, dass sie ganz schön heiß als kleiner Diener aussah. Die Hose fühlte sich nach dem tagelangen Tragen von Kleidern befreiend, sogar sexy an. Chloe lächelte in den Spiegel. Wenn Grace so mir nichts, dir nichts, kleine Intermezzi mit Dienern hinter verschlossenen Türen haben durfte, dann konnte Chloe auch nach elf Uhr einen kleinen Spaziergang machen, verkleidet als Mann.
Sie stopfte ihr Bett mit Kissen aus, zog die Tagesdecke aus Samt darüber und löschte die Kerzen. Im Schein des Kaminfeuers öffnete sie das Fenster und blickte in die tiefschwarze Nacht. »Das ist verrückt. Ich bin hier her gekommen, um das Geld zu gewinnen, und verliere mein Herz an zwei Männer.« Sie hatte es laut gesagt. Jetzt war es heraus. Sie hatte es zugegeben. Es hatte für sie bis zu diesem Punkt kommen müssen, um es zu begreifen.
Draußen gab es keine Straßenleuchten, keine Lichter vor dem Haus – kein Wunder, dass Frauen um diese Uhrzeit nicht mehr draußen sein durften. Allerdings brannten ein paar Fackeln vor dem Haupteingang. Da sie nicht die Absicht hatte, sich die Beine zu brechen, beschloss Chloe, nicht aus dem Fenster im ersten Stock zu springen. Stattdessen wartete sie, bis die Türen der Frauen ins Schloss fielen, um sich auf Strümpfen, die Schuhe in der Hand, die Treppe der Dienerschaft hinunterzuschleichen bis zur Küche im Keller. Sie sah die Brille der Köchin auf dem Kieferntisch liegen. In der Hoffnung, ihre Verkleidung dadurch noch zu verbessern, setzte Chloe sie auf. Einen Moment lang verschwamm ihre Sicht durch die Gläser, doch dann wurde ihr Blick wieder klar. Sie schlüpfte unbemerkt aus der Küche hinaus. Die kalte Nachtluft ernüchterte sie, aber nur für eine Minute. Sie zog die Schuhe an und erschloss sich tastend den Weg zu den Fackeln.
Nachdem sie der Steinmauer von Bridesbridge Place gefolgt war, sah sie eine Kerze in einem Fenster im ersten Stock auftauchen, dann wurde das Fenster geöffnet und schwupp – leerte eine Kammerzofe eine Waschschüssel mit Wasser aus. Chloe sprang zurück, doch das Wasser platschte auf die Wanderschuhe aus Kalbsleder, und kleine Schlammspritzer landeten auf den weißen Strümpfen. Dann wurde das Fenster zugeschlagen.
»Verdammt!«, flüsterte Chloe zu sich selbst. »So weit zum Plan, keine kalten Füße zu bekommen.« Sie machte einen Bogen um das, was das kalte Wasser gewesen sein musste, mit dem sich Grace gerade das Gesicht gewaschen hatte. »Vergiss es.« Von wegen Regeln beugen. Sie beschloss, die Idee ad acta zu legen.
»Wer ist da?« Ein Nachtwächter hob seine Fackel auf und ging am oberen Ende der Treppe des Haupteingangs auf und ab.
Zu spät, um wieder umzukehren.
Chloe senkte ihre Stimme. »Hallo! Nur ein Diener, der einen Spaziergang macht.« Sie zerrte an einer der Fackeln herum, bis diese sich endlich, wie Excalibur, das Schwert im Stein, aus dem
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