Rendezvous mit Rama
annähern könnten. Das würde eine Reisedauer von fünf bis zehn Jahren zwischen Nachbarsternen bedeuten, was vielleicht lästig, aber nicht undurchführbar ist, besonders für Lebewesen mit einer Lebensdauer von Jahrhunderten. Man kann sich Flüge von solcher Dauer in Schiffen vorstellen, die nicht viel größer als die unseren sein müssten.
Doch möglicherweise werden solche Geschwindigkeiten durch vernünftige Nutzlast unmöglich; bedenken Sie, dass man Treibstoff für die Abbremsung am Ende der Reise mitführen muss, selbst wenn man nicht zurückkehren will. Also dürfte es vernünftiger sein, sich Zeit zu lassen: zehn- bis hunderttausend Jahre ...
Bernal und andere glaubten, dies werde durch mobile kleine Welten von einigen Kilometern Durchmesser ermöglicht, die Tausende von Passagieren auf einer Fahrt über einen Zeitraum von einigen Generationen befördern würden. Natürlich müsste es sich dabei um ein strikt geschlossenes System handeln, in dem alle Nahrung, Luft und andere Verbrauchsmaterie in den Kreislauf zurückgeführt würden. Aber auf genau die gleiche Weise funktioniert natürlich auch die Erde - in etwas größerer Dimension.
Manche Schriftsteller schlugen vor, die Raumarchen in Form von konzentrischen Kugeln zu bauen; andere regten rotierende Hohlzylinder an, sodass die Fliehkraft als künstliche Schwerkraft wirken könne - genau, was wir in Rama gefunden haben ... «
Professor Davidson konnte eine derartige Ungenauigkeit nicht durchgehen lassen.
»Es gibt keine Flieh kraft Das ist ein Technikerpopanz. Es gibt nur Trägheit der Masse.«
»Sie haben natürlich vollkommen recht«, gab Perera zu, »obwohl es ziemlich schwierig sein dürfte, jemanden davon zu überzeugen, der gerade von einem Karussell geschleudert worden ist. Aber mathematische Strenge scheint hier unnötig... «
»Hört, hört!«, warf Dr. Bose etwas verärgert ein. »Wir alle wissen, was Sie meinen, oder wir glauben, es zu wissen. Bitte zerstören Sie uns nicht unsere Illusionen.«
»Nun, ich wollte ja auch nur darauf hinweisen, dass theoretisch nichts an Rama neu ist. Die Ausmaße allerdings sind bestürzend. Aber die Menschheit hat sich dergleichen seit zweihundert Jahren ausgemalt. Nun jedoch möchte ich mich einer anderen Frage zuwenden, nämlich, wie lange genau Rama schon durch den Weltraum wandert?
Wir besitzen jetzt eine sehr genaue Bestimmung seiner Umlaufbahn und seiner Geschwindigkeit. Angenommen, dass keine Navigationskorrekturen stattfanden, dann können wir seine Positionen Millionen Jahre zurückverfolgen. Wir rechneten damit, dass Rama aus der Richtung eines Sterns in unserer Nähe kommen müsse - doch ist das keineswegs der Fall.
Es ist über zweihunderttausend Jahre her, seit Rama in der Nähe irgendeines Sterns vorbeikam, und der einzige, bei dem dies zutraf, entpuppte sich als irregulärer Variabler - so ziemlich die am wenigsten geeignete Sonne, die man sich für ein bewohntes Sonnensystem vorstellen könnte. Er hat eine Helligkeitsschwankung von mehr als fünfzig zu eins; Planeten würden in diesem System abwechselnd alle paar Jahre gekocht und eingefroren werden.«
»Ein Vorschlag«, warf Dr. Price ein. »Vielleicht erklärt das alles. Vielleicht war das einmal eine normale Sonne und wurde dann instabil. Und darum mussten die Ramaner sich eine neue Sonne suchen.«
Dr. Perera hegte große Bewunderung für die Archäologin, deshalb behandelte er sie glimpflich. Aber er fragte sich, was sie sagen würde, wenn er sich aufmachte und ihr absolut Selbstverständliches auf ihrem Spezialgebiet zu erläutern versuchte ...
»Wir haben das erwogen«, sagte er freundlich. »Doch wenn unsere derzeitigen Theorien über die Stellarrevolution richtig sind, dann konnte dieser Stern niemals stabil gewesen sein - konnte niemals lebentragende Planeten gehabt haben. Also ist Rama seit mindestens zweihunderttausend Jahren unterwegs im All, vielleicht sogar länger als eine Million Jahre.
Jetzt ist Rama kalt und dunkel und anscheinend tot, und ich glaube, ich weiß, warum. Es ist möglich, dass den Ramanern keine Wahl blieb - vielleicht flohen sie wirklich vor irgendeiner Katastrophe aber sie haben sich verkalkuliert.
Kein geschlossenes ökologisches System kann hundertprozentig effizient sein; es gibt stets Verschwendung, Verluste - eine gewisse Verschlechterung der Umwelt und das Entstehen von Schadstoffen. Es kann Milliarden Jahre dauern, bis ein Planet vergiftet und abgenutzt ist - doch irgendwann wird es
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