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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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an den mythischen Okeanos erinnert, das Meer, das nach den Vorstellungen der Antike die Erde umgab.
    Hier handelte es sich möglicherweise um eine noch seltsamere See - nicht eine kreisförmige, sondern eine zylindrische. Gab es in ihr, ehe sie in der interstellaren Nacht gefror, Wellen, Gezeiten, Strömungen - und Fische?
    Die Leuchtkugel zuckte und erlosch, der Augenblick der Offenbarung war vorüber. Aber Norton wusste, dass diese Bilder bis an sein Lebensende in sein Gehirn eingebrannt sein würden. Welche Entdeckungen die Zukunft auch bringen mochte, diesen ersten Eindruck würden sie niemals löschen können. Und das historische Privileg, als erster Mensch einen Blick auf das Werk einer fremden Zivilisation geworfen zu haben, würde ihm niemand streitig machen können.

9 Erkundung
    »Wir haben jetzt fünf Leuchtkugeln mit Langzeitzündung die Zylinderachse entlang geschickt und haben daher gutes Fotomaterial über die gesamte Länge. Alle wichtigen Merkmale sind kartografiert. Allerdings können wir nur recht wenige Details identifizieren, also haben wir ihnen vorläufige Namen zugeteilt.
    Die innere Höhlung ist fünfzig Kilometer lang und sechzehn Kilometer weit. Beide Enden laufen schüsselförmig aus und haben ziemlich komplizierte geometrische Werte. Unsere Seite haben wir Nördliche Hemisphäre getauft. Wir errichten unsere erste Basis hier, genau auf der Achse.
    Radial gehen von der zentralen Nabe im Winkel von hundertzwanzig Grad drei fast einen Kilometer lange Leitern aus. Sie enden jede an einer Terrasse oder einem ringförmigen Plateau, das um die >Schüssel< herumläuft. Und von dort ausgehend führen drei riesige Treppenstrukturen in der gleichen Richtung wie die Leitern bis ganz in die Ebene hinunter. Wenn man sich einen Regenschirm mit nur drei Rippen vorstellt, bekommt man ein gutes Bild von diesem Ende von Rama.
    Jede dieser drei Rippen ist eine Treppe. An der Mittelachse ziemlich steil, dann flachen sie allmählich ab, je näher es auf die darunter liegende Ebene zugeht. Die Treppen - wir haben sie Alpha, Beta und Gamma genannt - sind nicht durchgängig, sondern von fünf weiteren kreisförmigen Terrassen unterbrochen. Wir schätzen, dass es zwischen zwanzig- und dreißigtausend Stufen sind ... wir nehmen an, dass sie nur im Katastrophenfall benutzt wurden, denn es ist undenkbar, dass die Ramaner - oder wie immer wir sie bezeichnen werden - über keine bessere Methode verfügt haben sollten, die Achse ihrer Welt zu erreichen.
    Die Südliche Hemisphäre sieht ganz anders aus. Einmal hat sie keine Treppen und keine zentrale Nabe. Stattdessen gibt es dort einen gigantischen Stachel - kilometerhoch - genau auf der Achse und sechs kleinere Stacheln im Umkreis. Die ganze Struktur sieht ziemlich merkwürdig aus, und wir wissen nicht, was sie bedeuten soll.
    Die fünfzig Kilometer lange Strecke zwischen den zwei Schüsseln haben wir Zentralebene genannt. Es mag ja verrückt erscheinen, wenn man das Wort Ebene auf etwas so eindeutig Nichtflaches anwendet, aber wir glauben, dass dies hier gerechtfertigt ist. Uns wird das nämlich flach erscheinen, wenn wir hinuntersteigen - genau, wie das Innere einer Flasche einer Ameise als flach erscheinen muss, die in ihr herumkriecht.
    Das aufregendste Charakteristikum der Zentralebene ist das zehn Kilometer breite dunkle Band, das genau auf halbem Weg rundum läuft. Es sieht wie Eis aus, darum haben wir es >Zylindrisches Meer< getauft. Direkt geradeaus in der Mitte liegt eine große ovale Insel, etwa zehn Kilometer lang, drei breit, auf der hohe Gebäude emporragen. Da sie uns an das alte Manhattan erinnert, haben wir sie >New York< getauft. Ich glaube aber nicht, dass es sich um eine Stadt handelt, es wirkt eher wie eine riesige Fabrik oder chemische Produktionsanlagen.
    Aber es gibt ein paar Städte - oder doch wenigstens Kleinstädte. Wenigstens sechs. Wenn sie für menschliche Wesen errichtet worden wären, könnte jede davon mindestens fünfzigtausend Personen aufnehmen. Wir haben sie Rom, Peking, Paris, Moskau, London und Tokio genannt... Sie sind durch Fernstraßen und durch schienenähnliche Linien miteinander verbunden.
    In diesem erstarrten Weltleichnam liegt wohl Material für ein paar Jahrhunderte Forschungsarbeit. Wir müssen viertausend Quadratkilometer untersuchen und haben nur ein paar
    Wochen Zeit dafür. Ich frage mich, ob wir jemals die Antwort auf die zwei Rätsel erhalten werden, die mich beunruhigen, seit wir ins Innere vorgestoßen sind:

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