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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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einem kaum spürbaren Ruck. Er streifte mit seinem Lampenstrahl von dem Nichts vor ihm zurück auf seinen Ausgangspunkt.
    Er hätte über dem Mittelpunkt eines kleinen Kraters schweben können, der seinerseits ein Grübchen innerhalb eines weit größeren war. Zu beiden Seiten stieg ein Komplex von Terrassen und Rampen auf, die alle geometrisch äußerst präzise und also offenbar künstlich angelegt waren: Sie erstreckten sich weiter, als sein Lichtstrahl reichte. Etwa hundert Meter entfernt sah er die Eingänge der beiden anderen Luftschleusensysteme, die haargenau dem seinen entsprachen.
    Und das war es. Die Szenerie war weder besonders exotisch noch irgendwie fremdartig: Tatsächlich ähnelte sie in beträchtlichem Maße einem verlassenen Bergwerk. Norton empfand unbewusst eine gewisse Enttäuschung: Nach allen seinen Bemühungen hätte eigentlich eine dramatische, ja transzendentale Offenbarung erfolgen müssen. Dann erinnerte er sich, dass er nur ein paar hundert Meter weit sehen konnte. Die Dunkelheit jenseits seines Sichtbereichs konnte ja immer noch Wunderbares bereithalten, mehr als ihm lieb sein mochte.
    Er stattete seinen besorgt und begierig wartenden Begleitern Bericht ab. Dann sagte er: »Ich schicke die Leuchtboje raus - zwei Minuten Verzögerung. Jetzt.«
    Mit aller Kraft schleuderte er den kleinen Zylinder nach oben - oder nach außen - und zählte die Sekunden, während die Boje im Lichtstrahl kleiner wurde. Ehe er bei einer Viertelminute angelangt war, war sie außer Sicht; bei hundert zog er den Schutzschirm über die Augen und zielte mit der Kamera. Er war schon immer recht gut im Abschätzen von Zeiteinheiten gewesen; diesmal war er nur um zwei Sekunden zu schnell gewesen, als alles von plötzlicher Helligkeit erfüllt war. Und diesmal hatte er keinen Grund, enttäuscht zu sein.
    Selbst die Millionen Lichteinheiten der Leuchtkugel vermochten nicht die ganze riesige Höhlung zu erhellen, aber er konnte jetzt immerhin genug sehen, um eine Ahnung von der Struktur zu bekommen, die gigantischen Ausmaße zu bewundern. Er befand sich am Ende eines mindestens zehn Kilometer weiten und unbestimmt langen Zylinders. Von seinem Standort auf der Mittelachse konnte er auf den gekrümmten Wänden um ihn herum eine solche Fülle von Einzelheiten erkennen, dass sein Gehirn nur einen winzigen Bruchteil von ihnen aufzunehmen vermochte. Er sah im Licht eines einzigen Blitzes die Landschaft einer ganzen Welt vor sich und bemühte sich in bewusster Willensanspannung, dieses Bild in seinem Gehirn festzuhalten.
    Rings um ihn erhoben sich die terrassenförmigen Hänge des >Kraters< und verschmolzen schließlich mit der festen Wand, die den >Himmel< begrenzte. Nein - dieser Eindruck war unrichtig: Er musste sowohl seine irdischen wie seine Raumvorstellungen fallen lassen und sich anhand eines völlig neuen Koordinatensystems umorientieren.
    Er stand nicht am niedrigsten Punkt dieser fremdartigen verkehrten Welt, sondern an ihrem höchsten. Von hier aus ging alles nach unten, nicht nach oben. Wenn er sich von der Mittelachse auf die gekrümmte Wand zubewegte (die er nicht länger als >Wand< ansehen durfte), würde die Schwerkraft gleichmäßig anwachsen. Und wenn er die innere Seite der Zylinderhülle erreicht haben würde, könnte er auf ihr an jedem beliebigen Punkt aufrecht stehen: die Füße den Sternen zugewandt, den Kopf ins Innere der rotierenden Trommel. Es war ein nur zu bekanntes Prinzip: Seit den Uranfangen der Raumfahrt hatte man die Fliehkraft dazu benutzt, künstlich eine Schwerkraft herzustellen. Es war allein das Ausmaß, in dem das Prinzip hier angewendet wurde, was so überwältigend war, so bestürzend. Die größte Raumstation, Syncsat Fünf, maß weniger als zweihundert Meter im Durchmesser. Es würde eine ganze Weile dauern, bis man sich an die hundertfache Vergrößerung gewöhnt haben würde.
    Der Landschaftstubus um ihn herum bestand aus Flecken von Licht und Schatten, die Wälder sein konnten, Felder, zugefrorene Seen oder Städte; die Entfernung und das schwindende Licht der Leuchtkugel machten eine eindeutige Bestimmung unmöglich. Schmale Linien konnten Autobahnen, Kanäle oder genau begradigte Flüsse sein, sie bildeten einen schwach erkennbaren geometrischen Raster. Und weit hinten, am Ende seines Sichtbereichs, zeigte sich im Mittelpunkt des Zylinders ein Band von noch größerer Schwärze. Es bildete einen exakten Kreis, einen Ring um das Innere dieser Welt. Norton fühlte sich plötzlich

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