Rendezvous mit Rama
dass seine Wasserflasche und die Notration mitten in den Trümmern der Libelle lagen, und empfand sofort Hunger und Durst.
Dort vor ihm huschte mit gleichmäßigen fünf Stundenkilometern seine einzige Nahrung und das einzige Trinkwasser fort, das es in dieser Hälfte der Welt gab. Wie hoch auch das Risiko sein mochte, er musste die Notrationen zurückbekommen.
Er holte den Krebs vorsichtig ein, wobei er sich genau in seinem Rücken hielt. Während sie vorwärts kamen, beobachtete er genau den komplizierten Rhythmus der Beine des Tieres, bis er genau wusste, wo sie im nächsten Moment sein würden. Als er so weit war, murmelte er ein kurzes »Sie entschuldigen doch?« und packte sein Eigentum. Jimmy hätte es sich niemals träumen lassen, dass er eines Tages seine Fingerfertigkeit als Taschendieb unter Beweis stellen müsste, aber jetzt war er doch recht froh über seinen Erfolg. Er war in Sekundenbruchteilen wieder in Sicherheit, und der Krebs verlangsamte sein ständiges Vorwärtsrollen keinen Augenblick lang.
Jimmy fiel ein paar Meter zurück, befeuchtete sich die Lippen mit dem Wasser aus der Feldflasche und begann an einem Riegel Fleischkonzentrat zu kauen. Sein kleiner Sieg machte ihn gleich viel zuversichtlicher; jetzt konnte er es sogar wagen, sich Gedanken über seine düsteren Zukunftsaussichten zu machen.
Wo Leben ist, ist Hoffnung. Aber er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie man ihn retten sollte. Selbst wenn seine Kameraden das Meer überqueren würden, wie sollte er zu ihnen gelangen, wenn sie einen halben Kilometer unter ihm waren? »Wir werden einen Weg runter finden, irgendwie!«y hatte ihm die Kontrollstation an der Nabe versprochen. »Dieses Kliff kann nicht um die ganze Welt herumlaufen, ohne dass irgendwo eine Unterbrechung ist.« Er war versucht gewesen zu antworten: »Wieso eigentlich nicht?«, aber er hatte es dann doch lieber bleiben lassen.
Es war eine der besonderen Merkwürdigkeiten, dass man beim Marschieren auf Rama stets sah, in welche Richtung man ging. Hier versteckte die Krümmung der Welt nicht, was vor einem lag, sie enthülltet s. Seit einiger Zeit war es Jimmy bereits klar geworden, wohin der Krebs wollte. Dort vor ihnen, auf dem Gebiet, das sich vor ihm zu erheben schien, war eine breite Grube von etwa einem halben Kilometer Durchmesser.
Es war eine von dreien auf dem Südkontinent, und man hatte von der Nabe aus nicht feststellen können, wie tief sie waren. Man hatte sie nach berühmten Mondkratern benannt. Er näherte sich nun dem Krater Kopernikus. Der Name passte nicht so recht, denn hier gab es keine Hügel ringsum und keine Bergspitzen in der Mitte. Dieser Kopernikus war nur ein tiefer Schacht oder Brunnen mit vollkommen senkrechten Wänden.
Als Jimmy nahe genug war, um einen Blick in den Schacht zu werfen, sah er mindestens einen halben Kilometer tiefer einen Teich mit übel aussehendem bleigrünem Wasser. Das musste etwa der gleiche Wasserstand sein wie der in der See, und Jimmy fragte sich, ob beide Gewässer wohl miteinander verbunden waren.
Eine spiralförmige Rampe führte ins Innere hinunter, die völlig in der Wand verschwand, sodass fast der Eindruck von Zügen in einem riesigen Flintenlauf entstand. Die Spiralen schienen bemerkenswert zahlreich zu sein. Und erst als Jimmy ihnen mehrere Umläufe lang gefolgt war, wobei er sich immer häufiger verzählte, bemerkte er, dass da nicht eine Rampe, sondern drei hinabführten, die voneinander völlig unabhängig und im Winkel von 120 Grad zueinander angeordnet waren. In jeder anderen Umgebung als der Ramas wäre diese ganze Anordnung als beeindruckende architektonische Tour de Force erschienen.
Die drei Rampen führten geradewegs zu dem Tümpel hinunter und verschwanden unter seiner undurchsichtigen Oberfläche. Etwas über der Wasserlinie konnte Jimmy mehrere dunkle Tunneleingänge oder Höhlen entdecken; sie wirkten ziemlich unheimlich, und er fragte sich, ob sie vielleicht bewohnt sein könnten. Vielleicht waren die Ramaner Amphibien ...
Als der Krebs den Rand des Brunnens erreichte, glaubte Jimmy bestimmt, er werde eine der Rampen hinunterklettern - vielleicht, um die Wrackteile der Libelle irgendeinem Wesen vorzulegen, das sie bewerten konnte. Stattdessen ging die Kreatur genau bis zum Rand, schob fast die Hälfte ihres Körpers ohne das geringste Zögern über den Abgrund hinaus, obwohl ein paar Zentimeter mehr katastrophal gewesen wären, und schüttelte sich kurz. Die Bruchstücke der Libelle
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