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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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handelte sich offensichtlich um einen Misswuchs, Äonen zu spät - oder zu früh. Doch er brauchte eigentlich gar keine Entschuldigung, und sein Zögern war nur momentan. Er griff nach vorn, packte den Stängel und riss kräftig daran.
    Die Blume brach ganz leicht ab; er sammelte noch zwei der Blätter ein, begann dann langsam rückwärts durch das Spalier zu kriechen. Da er jetzt bloß noch eine Hand frei hatte, kam er nur unter Schwierigkeiten, ja Schmerzen weiter, und er musste bald einen Moment verschnaufen. In diesem Augenblick bemerkte er, dass die federartigen Blätter sich zu schließen begannen und der blütenlose Stängel sich langsam von seinen Stützen loswand. Mit einer Mischung von Ergriffenheit und Bestürzung sah er, wie die Pflanze sich gleichmäßig und ruhig in den Boden zurückzog wie eine tödlich verwundete Schlange, die in ihre Höhle zurück kriecht.
    Ich habe etwas Schönes gemordet, sagte Jimmy zu sich selbst. Aber andererseits war ja Rama an seinem Tod schuld. Er hatte sich nur geholt, was ihm rechtens zustand.

31 Endgeschwindigkeit
    Commander Norton hatte bisher noch keinen Mann seiner Besatzung verloren, und er gedachte dies auch diesmal nicht zu tun. Schon vor Jimmys Aufbruch zum Südpol hatte Norton über Rettungsmöglichkeiten für den Fall eines Unglücks nachgedacht; das Problem war allerdings dermaßen schwierig, dass er keine Lösung gefunden hatte. Es war ihm nur gelungen, alle offensichtlichen Lösungen auszuklammern.
    Wie erklettert man eine fünfhundert Meter hohe senkrechte Steilwand - selbst bei verringerter Schwerkraft? Mit der richtigen Ausrüstung - und mit entsprechendem Training - würde das leicht genug fallen. Aber auf der Endeavour gab es keine Bolzengewehre, und keiner fand eine andere praktische Methode, wie man die Hunderte von nötigen Haken in die harte spiegelglatte Fläche hätte treiben sollen.
    Norton hatte sich kurz mit ausgefalleneren Lösungen beschäftigt, von denen manche ausgesprochen verrückt waren. So zum Beispiel: Wenn ein Simp mit Saugnäpfen den Aufstieg machen würde ... Doch selbst wenn dieser Plan durchführbar wäre, wie lange würde es dauern, eine derartige Ausrüstung herzustellen und zu erproben - und einem Simp beizubringen, wie man sie benutzt? Und er zweifelte daran, dass ein Mensch die erforderliche Kraft für eine solche Heldentat aufbrächte.
    Dann wendete er sich der fortschrittlicheren Technik zu. Die Triebsätze der EVA wirkten verführerisch, doch ihr Schub war zu gering, sie waren für Operationen unter Null-Schwerkraft gebaut. Sie konnten keinesfalls das Gewicht eines Mannes heben, selbst unter der bescheidenen Schwerkraft von Rama.
    Oder konnte man einen EVA-Treibsatz mit automatischer Steuerung und einer Rettungsleine hochschicken? Norton hatte diese Idee an Sergeant Myron ausprobiert, der sie prompt und hitzig abgeschossen hatte. Es ergäben sich, erklärte der Ingenieur, schwerwiegende Stabilitätsprobleme; sie könnten gelöst werden, doch das würde lange dauern - viel länger, als sie sich leisten könnten.
    Und Ballons? Hier schien sich eine vage Möglichkeit abzuzeichnen, falls es ihnen gelang, eine Hülle zu konstruieren und eine ausreichend kompakte Hitzequelle. Diese Methode hatte Norton als Einzige nicht abgelehnt, als das Problem plötzlich nicht mehr bloße Theorie war, sondern sich zu einer Frage von Leben oder Tod, diskutiert in allen Nachrichtenmedien der bewohnten Welten, entwickelte.
    Während Jimmy sich auf seinem Treck längs der Küste befand, versuchte die Hälfte aller Sonderlinge und Wirrköpfe des Sonnensystems ihn zu retten. Im Flottenhauptquartier wurden alle Vorschläge erwogen, und etwa jeder Tausendste wurde an die Endeavour weitergeleitet. Der Vorschlag Dr. Carlisle Pereras kam gleich zweimal an: einmal über das Funknetz von SURVEY und einmal durch PLANETCOM; PRIORITÄT RAMA. Der Plan hatte den Wissenschaftler ungefähr fünf Minuten Nachdenken und eine Millisekunde Computerzeit gekostet.
    Zunächst hatte Commander Norton es für einen äußerst geschmacklosen Scherz gehalten. Dann sah er den Namen des Absenders und die beigefügten Berechnungen und änderte schlagartig seine Meinung.
    Er reichte Karl Mercer die Nachricht.
    »Was halten Sie davon?«, fragte er, so beiläufig er konnte.
    Karl las rasch, dann sagte er: »Also, verdammt noch mal! Er hat natürlich recht.«
    »Sind Sie sicher ?«
    »Er hat mit dem Orkan auch recht gehabt, oder? Wir hätten selbst auf das hier kommen müssen. Ich

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