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Rendezvous mit Rama

Rendezvous mit Rama

Titel: Rendezvous mit Rama Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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lassen. Erst als er nur noch ein paar Meter davon entfernt war, hatte er Gewissheit: Leben, wie er es kannte, war in die sterile aseptische Welt Ramas vorgedrungen. Denn hier am Rand des Südkontinents blühte in einsamer Pracht - eine Blume.
    Je näher er kam, desto klarer erkannte Jimmy, dass irgendetwas nicht stimmte. In dem Plastiküberzug, der wahrscheinlich diesen Mutterboden vor der Vergiftung durch unerwünschte Lebensformen schützen sollte, war ein Loch. Durch diesen Riss wuchs eine grüne Ranke, etwa so dick wie ein Finger, in Windungen durch das Spalier herauf. Einen Meter über dem Boden brach die Ranke zu bläulichen Blättern auf, die mehr wie Federn als wie das Laub irgendeiner Jimmy bekannten Pflanze wirkten. Der Stamm endete in Augenhöhe in einer - wie Jimmy zunächst geglaubt hatte - einzelnen Blüte. Nun sah er und war wirklich nicht erstaunt, dass hier drei Blüten dicht zusammengepresst standen.
    Die Blüten bestanden aus hell leuchtenden Tuben von etwa fünf Zentimetern Länge; jede Blüte hatte davon mindestens fünfzig, und sie schimmerten in so metallischem Blau, Violett und Grün, dass sie an Schmetterlingsflügel erinnerten. Jimmy hatte von Botanik fast überhaupt keine Ahnung, aber er war doch verwirrt darüber, dass er keine Spur irgendwelcher Gebilde entdecken konnte, die Staubgefäßen oder Blütenblättern ähnelten. Er überlegte, ob die Ähnlichkeit mit irdischen Blumen reiner Zufall sein könne; vielleicht handelte es sich ja hier um etwas, das mehr mit einem Korallenpolypen zu tun hatte. In jedem Fall würde dies aber die Existenz kleiner fliegender Geschöpfe implizieren, zur Befruchtung oder als Nahrung.
    Es kam nicht wirklich darauf an. Wie die wissenschaftliche Bestimmung auch ausfallen mochte, für Jimmy war dies einfach eine Blume. Das bizarre Wunder, dieser unramanische Zufall der Existenz dieser Blume, gemahnte ihn an alles, was er nie wieder sehen würde: Und er war fest entschlossen, diese Blüte zu besitzen.
    Leicht würde das nicht werden. Die Pflanze stand mehr als zehn Meter von ihm entfernt, geschützt durch eine Lattenstruktur aus dünnen Stäben. Sie bildeten ein würfelförmiges Muster von weniger als vierzig Zentimetern Seitenlänge, das sich andauernd wiederholte. Jimmy hätte kein Radflieger sein können, wäre er nicht schlank und drahtig gewesen, und er würde bestimmt durch die Zwischenräume des Gitters kriechen können. Doch der Rückweg könnte sich als schwierig herausstellen; er würde sich auf keinen Fall umwenden können, also musste er rückwärts herauskriechen. Die Nabenkontrolle war entzückt über seine Entdeckung, als er die Blume beschrieben und aus jedem nur möglichen Winkel fotografiert hatte. Sie hatten nichts einzuwenden, als er sagte: »Ich gehe sie holen.« Er hatte gar nicht mit Einwänden gerechnet. Sein Leben gehörte jetzt ihm, und er konnte damit anfangen, was er wollte.
    Er legte sämtliche Kleidung ab, packte die glatten Metallstangen und begann sich durch das Rahmengeflecht hindurchzuwinden. Ein hartes Unterfangen. Er kam sich vor wie ein Häftling, der durch die Gitterstäbe seiner Zelle zu entkommen sucht. Als er ganz in dem Spalier drinsteckte, probierte er rückwärts wieder freizukommen, nur zur Probe, ob irgendwelche Probleme dabei auftauchten. Es erwies sich als außerordentlich schwierig, da er nun die ausgestreckten Arme dazu benutzten musste, sich zu schieben, statt sich vorwärts zu ziehen. Immerhin deutete nichts daraufhin, dass er hilflos in der Falle sitzen könnte.
    Jimmy war ein Mann der Tat und handelte impulsiv, er neigte nicht zum Analysieren seiner Motive. Während er sich mühevoll durch den schmalen Korridor von Stäben vorwärts wand, verschwendete er keine Zeit auf die Frage, warum er wohl eine derartig überspannte Heldentat unternahm. Er hatte sich sein Leben lang nie für Blumen interessiert, aber jetzt setzte er seine letzten Kräfte ein, um eine zu pflücken.
    Sicher, dieses Exemplar war einzigartig und von ungeheurem Wert für die Wissenschaft. Aber er wollte sie eigentlich mehr aus dem Grund besitzen, weil sie sein letztes Band mit der lebendigen Welt und dem Planeten seiner Geburt darstellte.
    Doch, als die Blume dann in Reichweite war, kamen ihm plötzlich Bedenken. Vielleicht war sie die einzige Blume in ganz Rama. Hatte er das Recht, sie zu pflücken?
    Falls es ihm auf einen Entschuldigungsgrund ankam, konnte er sich damit trösten, dass die Ramaner selbst sie ja nicht eingeplant hatten. Es

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