Rendezvous mit Übermorgen
zugeben kannst, wer und wie du eigentlich wirklich bist? Schau doch, ich ... ich weiß ganz genau, was ich will, und ich habe nie zögerliche Bedenken bei dem, was ich dafür tun muss. Mein Verhalten läuft automatisch.«
Brown saß lange still neben Francesca. Schließlich neigte er den Kopf und vergrub ihn an ihrer Schulter. »Zuerst Borzow, jetzt Wilson«, sagte er seufzend. »Ich bin ganz zerschlagen. Ich wollte, das alles wäre nicht passiert.«
»Du kannst jetzt nicht aufgeben, David.« Sie streichelte seinen Kopf. »Wir sind schon zu tief drin. Und - der große Preis ist greifbar nahe.«
Francesca fuhr ihm mit der Hand ins Hemd und begann es aufzuknöpfen. »Es war ein langer anstrengender Tag«, murmelte sie besänftigend. »Warum wollen wir ihn nicht vergessen ...« Und als sie sein Gesicht und seine Brust streichelte, schloss David Brown die Augen.
Dann beugte sich Francesca über ihn und küsste ihn lang auf den Mund. Ein paar Augenblicke später brach sie die Operation abrupt ab. »Na also«, sagte sie und begann sich aus den Kleidern zu schälen, »solang wir alle beide gemeinsam da drinstecken, könnten wir uns gegenseitig ja auch ein bisschen Energie abzapfen.« Sie stand auf und zwang Brown so, die Augen zu öffnen.
»Mach schnell«, sagte er ungeduldig. »Ich war schon dabei...«
»Kümmere dich doch darum nicht dermaßen«, antwortete Francesca, während sie betont langsam ihr Höschen abstreifte, »bei wir hast du doch da noch nie Schwierigkeiten gekriegt.« Und während sie sich zwischen seine Knie schob und sein Gesicht an ihre Brüste presste, lächelte sie wieder. »Vergiss nicht«, sagte sie, während sie ihm mit der anderen Hand die Unterhose abstreifte, »ich bin nicht wie Elaine.«
Dann betrachtete sie den schlafenden David Brown an ihrer Seite. Die Verspannung und Angst, die noch vor ein paar Minuten sein Gesicht verkrampft hatten, waren dem arglosen, sorgenfreien Lächeln eines kleinen Jungen gewichen. Männer sind doch dermaßen simpel , dachte Francesca. Ein Orgasmus, und sie
sind alle Schmerzen los. Ich wünschte, für uns wäre die Sache ebenso einfach.
Sie glitt von dem schmalen Bett und zog sich wieder an. Sie gab sich dabei große Mühe, ihn nicht zu wecken. Aber wir zwei, wir haben da wirklich noch ein echtes Problem, sagte sie sich, während sie sich fertig anzog. Und darum werden wir uns verdammt rasch kümmern müssen. Und es wird verdammt viel komplizierter sein, mein Guter, weil wir es da mit einer Frau zu tun haben.
Dann trat Francesca aus Browns Hütte in die nächtliche Schwärze Ramas. Auf der anderen Seite des Camps, beim Nachschublager, glommen ein paar Lichter, aber sonst war es im Beta-Camp dunkel. Alle schliefen schon. Francesca knipste ihre kleine Stablampe an und ging südwärts weiter - in Richtung auf die Zylindrische See.
Was willst du wirklich, Madame Nicole des Jardins?, dachte sie, während sie weiterging. Und wo versteckst du deine Schwächen? Wo ist deine Achillesferse? Minutenlang flitzte Francesca durch die ganze Sektion gespeicherter Informationen über Nicole in ihrem Gedächtnis und suchte nach irgendeinem Schwachpunkt in ihrer Person oder ihrem Charakter, der eine auszunüt zende Blöße geboten hätte. Geld? Nein, das zieht bei dir nicht. Sex? Auch nicht -jedenfalls nicht, was mich angeht. Unwillkürlich musste sie lachen. Und ganz bestimmt nicht mit David. Dass der dir zuwider ist, ist unübersehbar.
Eine kleine Erpressung?, dachte Francesca. Sie war inzwischen fast am Rand des Zylindermeeres angelangt. Ihr fiel wieder ein, wie heftig Nicole reagiert hatte, als sie nach dem Vater ihrer Tochter Genevieve gefragt hatte. Wenn ich darauf die Antwort hätte... aber ich hab sie eben nicht.
Im Augenblick fühlte sich Francesca lahmgelegt. Sie sah nicht, wie sie Nicole des Jardins in die Enge treiben könnte. Inzwischen waren die Lichter vom Basislager hinter ihr kaum noch sichtbar. Francesca knipste ihre Lampe aus, setzte sich und ließ sehr vorsichtig die Beine über den Kliffrand baumeln.
Dieses Gefühl, mit den Beinen halb im Leeren über dem noch starren Eis der Zylindersee zu hängen, rief in ihr schneidende Erinnerungsszenen aus ihren frühen Jahren in dem italienischen Provinznest Orvieto herauf ... Trotz des Trommelfeuers von Warnungen, das von allen Seiten auf sie herein prasselte, wie gesundheitsschädlich sowas sei, hatte Francesca mit elf Jahren den frühreifen Entschluss gefasst, von nun an Zigaretten zu rauchen. Und so kletterte
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