Rendezvous mit Übermorgen
Herzögen Hoppereiter zu spielen. Und das hat Luca natürlich dann echt gestunken. Also hat er es ihr heimgezahlt und sie dazu verdammt, in alle Ewigkeit auf dem Rücken eines Teufels zu reiten.«
Als er ausgelacht hatte, fragte Carlo, ob sie die Bestrafung der Frau für gerecht halte. »Aber ganz und gar nicht, natürlich«, antwortete die Vierzehnjährige. »Es ist nur wieder ein weiteres Beispiel für männlichen Chauvinismus im fünfzehnten Jahrhundert. Männer konnten herumbumsen, mit wem sie wollten, und galten dann als besonders männlich; aber wenn eine Frau auch nur versuchte, Befriedigung zu finden ...«
»Francesca!«, unterbrach Roberto. »Also wirklich! Das geht zu weit! Deine Mamma würde dich umbringen, wenn sie hören könnte, wie du redest...«
»Meine Mutter spielt im Augenblick keine Rolle. Ich spreche von einer Doppelmoral, einem Standard, der bis heute gilt. Man sehe sich doch nur ...«
Carlo Bianchi wagte kaum an sein Glück zu glauben. Modeschöpfer aus Mailand, reich, mit dreißig hatte er sich einen internationalen Ruf geschaffen ... und nun hatte er sich aus einer puren Laune heraus entschlossen, sich in einem Mietwagen nach Rom fahren zu lassen, statt wie üblich den Superrapido-Zug zu nehmen. Seine Schwester Monica hatte ihm immer wieder von den Schönheiten des Duomo di Orvieto vorgeschwärmt. Auch dass er hier halten ließ, war eine spontane Blitzentscheidung gewesen. Und nun das ...! Himmel, war diese Kindfrau ein süßer kleiner Happen!
Nach beendigter Führung lud er Francesca zum Dinner ein. Doch als sie vor dem Portal des elegantesten orvietanischen Restaurants anlangten, sträubte sie sich. Carlo begriff den Grund. Und führte sie in ein Geschäft, wo er ihr ein teures Kleid mit passenden Schuhen und den anderen Accessoires kaufte. Er war hingerissen, wie schön sie damit aussah. Und erst ganze vierzehn!
Francesca hatte noch nie vorher wirklich noblen Wein zu trinken bekommen. Sie schluckte ihn, als wäre es Wasser. Jeder Gang des Essens war dermaßen köstlich, dass sie regelrecht vor Entzücken quietschte. Und Carlo war von dieser Kindfrau hingerissen. Er fand es bezaubernd, wie sie die Zigarette schief im Mundwinkel hängen ließ. Das war so unverdorben, so vollkommen gauche und unbewusst linkisch.
Als sie die Mahlzeit beendeten, war es dunkel. Sie gingen zur Limousine zurück, die vor dem Dom wartete. Aber als sie durch eine schmale Gasse kamen, wandte sie sich Carlo zu und biss ihn spielerisch ins Ohr. Er zog sie spontan an sich und wurde von einem explosiven Kuss belohnt. Der Druck in seinen Lenden gewann die Oberhand.
Auch Francesca hatte es gespürt. Sie zögerte keine Sekunde, als Carlo eine kleine Spritztour in seinem Wagen vorschlug. Noch ehe die Limousine den Ortsrand von Orvieto erreichte, lag er auf dem Rücksitz, und sie ritt auf ihm. Eine halbe Stunde später, nachdem sie die zweite Runde hinter sich hatten, war für Carlo der Gedanke unerträglich geworden, sich von diesem unglaublichen Kindweib zu trennen. Er fragte sie, ob sie ihn nach Rom begleiten wolle.
»Andiamo!«, antwortete Francesca mit einem Lächeln.
Und dann fuhren wir also nach Rom , erinnerte sich Francesca. Und dann nach Capri. Eine Woche Paris. In Milano hast du mich bei Monica und Luigi einquartiert. Aus Dezenzgründen ... Dass Männer stets so großen Wert auf den schönen Schein legen müssen ...
Ihre lange Erinnerungsträumerei brach ab, als sie den Eindruck bekam, aus der Ferne Schritte zu vernehmen. Vorsichtig stand sie auf und lauschte in die Finsternis. Doch sie konnte über ihrem eigenen Atmen kaum etwas hören. Aber dann war da wieder dieses Geräusch, links von ihr. Ihre Ohren sagten ihr, dass das Geräusch von draußen, vom Eis kommen müsse. Die Horrorvision von grotesken Gestalten brach über sie herein, die vom Eis her ihr Lager angriffen. Erneut lauschte sie gespannt, hörte aber nichts mehr.
Sie machte sich auf den Rückweg zum Camp. Doch, ich hab dich geliebt, Carlo, sagte sie vor sich hin. Wenn ich je einen Mann liebte, dann warst du es. Sogar dann noch, als du anfingst, mich mit deinen Freunden zu teilen. Wieder schoss ein Klumpen lang unterdrückter Qual an die Oberfläche, und Francesca wehrte sich dagegen mit einer Aufwallung von unbeugsamem Zorn. Bis du dann auch noch angefangen hast, mich zu schlagen. Das hat alles zerstört. Damit hast du dich als ein wahres Miststück erwiesen.
Bewusst verdrängte sie ihre Erinnerungen. Also, wo stehen wir jetzt?, überlegte
Weitere Kostenlose Bücher