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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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dem >anderen< Tunnel waren ... Das hätte mir natürlich auffallen müssen, weil die Mündung auf der falschen Seite war. Aber in dem Augenblick hab ich eben nicht logisch gedacht ... Jedenfalls, ich bin da reingegangen, es wurde hell, und da war er ... keine drei Meter vor mir. Ich dachte schon, ich krieg einen Herzschlag und bin tot...«
    Richard dachte daran, wie Nicole im Tunnel sich in seine Arme gestürzt und sekundenlang geschluchzt hatte. »Es ist Takagishi... ausgestopft... wie ein Reh oder wie ein Tiger... in der Nische rechts.« Sie hatte gestammelt und gekeucht wie in einem Krampf. Als sie sich dann wieder unter Kontrolle hatte, waren sie gemeinsam den Tunnel zurückgewandert. Und aufrecht, genau gegenüber dem Eingang hatte Richard zu seinem Entsetzen die aufrechte Gestalt des Kosmonauten der Newton, Shigeru Takagishi, erblickt. Er war in seinem Flugdress und sah genauso aus wie bei ihrer letzten Begegnung im Beta-Lager. Das Gesicht war zu einem freundlichen Lächeln erstarrt, die Arme hingen locker herab.
    »Ja, was, zum Teufel...«, hatte Richard gesagt. Er hatte zweimal geblinzelt, und seine Neugier war diesmal nur wenig größer als sein Entsetzen. Nicole hatte die Augen abgewandt. Obwohl sie den Anblick ja bereits kannte, war der allzu lebensecht wirkende ausgestopfte Takagishi einfach zu viel für sie.
    Sie blieben nur eine Minute in der großen Kammer. Die außerirdischen Präparatoren hatten auch Wunder gewirkt an einem der Flugwesen, das eine gebrochene Schwinge hatte und in Takagishis Nähe von der Decke hing. Dahinter, an der Wand, war das Zelt aufgebaut, das Richard und Nicole tags zuvor »abhanden gekommen« war. Das hexagonale elektronische Schaltpult aus dem transportablen Wissenschaftslabor der Newton befand sich zu Takagishis Füßen auf dem Boden unweit von dem lebensgroßen Modell einer biotischen Planierraupe. Weitere naturgetreue biotische Exponate waren über den Raum verteilt.
    Richard hatte begonnen, die unterschiedliche Biotensammlung zu studieren, als sie schwach und fern wieder dieses inzwischen vertraute Schleifgeräusch hinter sich aus dem Tunnel vernahmen. Sie hatten keinen Moment gezögert. Ihre Flucht durch den Gang und die Rampen hinauf hatten sie nur kurz bei der Zisterne unterbrochen, um sich mit frischem Wasser zu versehen.
    »Takagishi, das war ein freundlicher, ein empfindsamer Mensch«, sagte Nicole zu Richard. »Von einer leidenschaftlichen Liebe zu seiner Arbeit erfüllt. Ich habe ihn noch kurz vor dem Start in Japan besucht, und er hat mir gesagt, dass es die große Sehnsucht und das Ziel seines ganzen Lebens sei, einmal ein zweites Raumschiff der Ramaner erforschen zu können.«
    »Was für ein Jammer, dass er solch einen unschönen Tod erfahren musste«, antwortete Richard bitter. »Ich nehme an, dieser arachnidische Oktopode, dieses Spinnenvieh, oder einer seiner Kumpane hat ihn augenblicklich zum Präparieren geschleppt. Sie haben sich jedenfalls ganz schön beeilt, ihn auszustellen.«
    »Richard, wissen Sie was, ich glaube nicht, dass sie ihn getötet haben«, sagte Nicole. »Möglich, dass ich sehr naiv bin, aber ich entdecke keinerlei Anzeichen für Gewaltanwendung an ... an seinem Körper.«
    »Sie meinen, die haben ihn einfach zu Tode erschreckt?«, fragte Richard zynisch zurück.
    »Ja«, antwortete Nicole bestimmt. »Es ist zumindest möglich.« Dann erläuterte sie fünf Minuten lang, in welchem Zustand sich das Herz Dr. Takagishis befunden hatte.
    »Sie versetzen mich in Erstaunen, Nicole«, sagte Richard, nachdem er ihren Eröffnungen aufmerksam zugehört hatte. »Ich hatte Sie ganz falsch eingeschätzt. Ich dachte immer, Sie sind so eine Maggy Sauberfrau, stachlig und stur, an den Regeln klebend bis zum Schluss. Ich habe Ihnen nie zugetraut, dass Sie eigene unorthodoxe Entscheidungen riskieren können. Ganz zu schweigen von dieser unerwarteten dunklen starken Strähne von Mitgefühl in Ihrem Wesen.«
    »Im Moment ist aber nicht klar, ob eins von beidem sich positiv ausgewirkt hat. Hätte ich mich getreu und stur nach den Regeln gerichtet, wäre Takagishi jetzt noch am Leben und bei seiner Familie in Kyoto.«
    »Und ihm wäre die einzigartige Erfüllung seines Lebens vorenthalten geblieben ... und dies, meine liebe Doktorin, führt mich weiter zu einem interessanten Problem. Sie sind sich doch zweifellos darüber im Klaren, während wir hier so freundschaftlich versammelt sind, dass die Chancen für unser sicheres Entkommen nicht gerade dick sind.

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