Rendezvous mit Übermorgen
auffing.
Richard versuchte ihren Rückzug zu beschleunigen. Prinz Hai vermochte sein Tempo zu steigern, doch Falstaff, bei dem die Temperatur im Subsystem während des Aufenthalts in der Nähe der Kugel zu stark gestiegen war, wurde durch seine eingebaute Prozessorlogik an der Aktionsbeschleunigung gehindert. Das Bürstengeräusch wurde zunehmend lauter.
Der Computermonitor vor den zwei Kosmonauten schaltete auf Split-Bildwiedergabe um. Der Prinz erreichte die Außenseite des Schwammgewebes, stürzte auf den Boden und eilte zur U-Bahn, ohne auf seinen Gefährten zu warten. Falstaff hangelte sich weiter schwerfällig durch das Geflecht. »Zuviel der Mühe das, für einen, der gern trinkt«, brummte er, während er schwerfällig eine weitere Hürde überwand.
Das schleifende metallische Geräusch brach plötzlich ab, und Falstaffs Kameraoptik fing das Bild eines langen dünnen Objekts mit schwarzgoldener Streifenzeichnung ein. Sekunden später wurde der Kameraausschnitt schwarz, und das »Terminalversagen unmittelbar drohend «-Warnsignal des kleinen feisten Roboters begann zu piepsen. Richard und Nicole bekamen noch ein kurzes verhuschtes Bild von Falstaff; es zeigte ein Etwas, das aus der Nähe wie ein riesiges Auge aussah: ein schwärzliches Gelgemisch mit bläulichem Schimmer. Dann brachen alle Signale von Falstaff - sogar die Not-Telemetrik plötzlich ab.
Der Prinz hatte inzwischen den wartenden U-Bahnwagen bestiegen. Während der Sekunden, die es dauerte, bis sich der Zug aus der Station bewegte, war erneut das bedrohliche Schleifgeräusch zu vernehmen. Doch die U-Bahn fuhr ab, und der kleine Roboter stand drin und kam durch den Tunnel zu den beiden Kosmonauten zurückgeschossen. Nicole und Richard stießen beide einen Seufzer der Erleichterung aus.
Aber eine Sekunde, höchstens, später fing das Audio-System von Prinz Hai das Geräusch von berstendem Glas auf. Richard befahl dem Roboter, sich dem Geräusch zuzuwenden, und Hais Kamera filmte einen einsamen schwarzgoldenen Tentakel, der sich durch die Luft tastete. Der Fangarm hatte das Fenster zertrümmert und schaukelte nun unerbittlich auf den Prinzen zu. Richard und Nicole erfassten die Situation im gleichen Augenblick. Das Ding hockte auf dem Dach des Wagens! Und es kam direkt auf sie zu!
Nicole schoss wie ein Blitz die Stacheln hinauf. Richard verschwendete mehrere kostbare Sekunden damit, den Monitor und seine Ausrüstung im Rucksack zu verstauen. Das »Terminal-Versagen«-Signal von Prinz Hai hörte er, als er schon auf halber Höhe in den Stacheln kletterte. Er wandte sich genau in dem Moment um und schaute hinab, als der Wagen aus dem Tunnelmund kam.
Und was er sah, ließ ihm das Blut erstarren. Auf dem Dach des U-Bahnwagens hockte ein großes dunkles Geschöpf, dessen Körpermitte, sofern es das wirklich war, sich flach gegen das Wagendach presste. Gestreifte Tentakeln gingen nach allen Richtungen davon aus. Vier davon hatten die Fenster des Wagens zerbrochen und den Roboter gepackt. Das Ding glitt rasch herab und schlang einen seiner acht Fangarme um die untersten Stacheln in der Wand. Richard schaute nicht weiter zu. Er kletterte hastig den Zylinderschacht bis zum Ende hinauf, begann oben durch den horizontalen Tunnel zu rennen. Hinter Nicole her, deren Schritte er weit vor sich hören konnte.
Beim Laufen fiel ihm auf, dass der Gang eine geringe Rechtsbiegung aufwies. Er überlegte, dass der Gang, auch wenn es nicht der war, durch den sie vorher gekommen waren, sie doch zurück zu den Rampen führen müsste. Nach etlichen hundert Metern hielt Richard inne, um auf Geräusche seines Verfolgers zu lauschen. Er hörte nichts. Gerade hatte er zweimal tief durchgeatmet und wollte weiterlaufen, als von vorn aus dem Tunnel ein entsetzlicher Schrei an sein Ohr drang. Nicole! 0 verdammter Mist!, dachte er und stürzte los, um sie einzuholen.
47 Progressive Matrizen
»Nie, nie, niemals in meinem ganzen Leben«, sagte Nicole zu Richard, »hab ich etwas gesehen, das mir einen derartigen Schrecken eingejagt hat.« Sie saßen mit dem Rücken gegen einen der Wolkenkratzer an der westlichen Plaza gelehnt. Beide atmeten noch schwer und waren von der hektischen Flucht erschöpft. Nicole trank einen großen Schluck Wasser.
»Grad wollte ich mich entspannen«, sprach sie weiter. »Ich hab Sie hinter mir gehört, sonst nichts. Also beschloss ich, ich würde im Museum auf Sie warten, bis Sie mich eingeholt haben. Mir war da noch nicht klargeworden, dass wir ja in
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