Rendezvous mit Übermorgen
wirklich zu pingelig Sie hätten Alain niemals disqualifizieren dürfen. Es wäre eine Schande, wenn...
»Daijobu«, sagte sie, noch bevor Takagishi zu sprechen aufgehört hatte. »Ich komme mit zu Ihrem Arzt, und wenn ich da nichts entdecke, was mich beunruhigt, dann nehme ich die ganze Akte mit nach Hause und studiere sie während des Urlaubs.« Takagishis Gesicht begann zu strahlen. »Aber ich möchte Sie nochmals warnen. Sollte ich in Ihrer Vergangenheit etwas Zweifelhaftes entdecken - oder wenn ich das kleinste Beweisfetzchen finde, dass Sie mir Informationen unterschlagen haben, bin ich entschlossen, Sie um Ihren sofortigen Rücktritt zu bitten.«
»Danke. Ich danke Ihnen ganz ergeben.« Takagishi war aufgestanden und verneigte sich vor seiner Kollegin. »Ergebenen Dank«, wiederholte er.
10 Der Kosmonaut und der Papst
Mehr als zwei Stunden Schlaf hatte General O'Toole gewiss nicht bekommen. Die Erregung in Verbindung mit dem Jetlag hatte sein Hirn die ganze Nacht hindurch nicht zur Ruhe kommen lassen. Er betrachtete das heitere bukolische Wandbild gegenüber dem Bett in seinem Hotelzimmer und zählte sämtliche Tiere zweimal durch. Leider war er auch nach der zweiten Zählung immer noch hellwach.
Er atmete tief durch und hoffte, das werde ihm Entspannung bringen. Aber wozu diese ganze Nervosität ?, fragte er sich. Schließlich ist er ja auch bloß ein Mensch wie alle andern auf Erden. Naja, also nicht ganz genau. O'Toole setzte sich kerzengerade auf und lächelte. Er saß auf einem Sessel in einem kleinen Antichambre im Vatikan, und es war zehn Uhr morgens. Er wartete auf eine Privataudienz beim Stellvertreter Gottes auf Erden, Papst Giovanni Paolo V.
In seiner Kindheit hatte Michael O'Toole oft davon geträumt, später einmal der erste Papst aus Nordamerika zu werden. »Papst Michael« nannte er sich an jenen endlosen Sonntagnachmittagen, an denen er den Katechismus auswendig lernte. Während er die Wörter unablässig vor sich hinleierte, um sie seinem Gedächtnis einzuverleiben, malte er sich aus, wie er selbst, vielleicht in fünfzig Jahren, die Robe und den päpstlichen Ring tragen und vor Tausenden in den großen Kirchen und Sportstadien der Welt die Messe zelebrieren würde. Er würde den Armen, den Hoffnungslosen, den Niedergedrückten Hoffnung einflößen. Er würde ihnen den Weg Gottes weisen, auf dem sie in ein besseres Leben gelangen konnten.
Als junger Mann hatte Michael OToole mit Begeisterung gelernt; drei Themenbereiche allerdings faszinierten ihn ganz besonders: Religion, Geschichte und Physik. Darüber konnte er gar nicht genug Lesestoff bekommen, und es fiel seinem agilen Gehirn leicht, zwischen diesen so unterschiedlichen Disziplinen zu springen. Und es störte ihn auch nie, dass Religion und Physik erkenntnistheoretisch um hundertachtzig Grad auseinander klafften. Die Entscheidung, welche Probleme im Leben naturwissenschaftlich, welche mittels der Religion gelöst werden sollten, war ihm nie schwergefallen.
Aber alle drei seiner Lieblingssachgebiete verbanden sich für ihn im Studium der Schöpfung. Sie war schließlich der Anfang aller Dinge, auch der Religion, der Geschichte und der Wissenschaft. Wie hatte sie stattgefunden? War Gott persönlich (als Schiedsrichter?) beim Startschuss des Universums vor achtzehn Milliarden Jahren zugegen gewesen? Und war nicht ER es, der den Anstoß gab zu jener explosiven Umwälzung, dem sogenannten »Big Bang«, dem Urknall, bei dem die ganze Materie aus Energie entstand? Hatte ER nicht dafür gesorgt, dass diese ersten Wasserstoff-Uratome sich zu riesigen Gaswolken zusammenschlössen, um dann unter ihrer Schwerkraft zu kollabieren und sich in jene Sterne zu verwandeln, in denen dann die chemischen Grundbausteine des Lebens gefertigt wurden?
Und die Schöpfung fasziniert mich immer noch , dachte OToole, während er darauf wartete, zum Papst vorgelassen zu werden.
Wie kam das alles zustande ? Welche Bedeutung besitzt dieser spezielle Ablauf von Ereignissen t Er erinnerte sich, wie er als Teenager den Priestern mit solchen Fragen zugesetzt hatte. Wahrscheinlich habe ich mich entschieden, kein Priester zu werden, weil mir das den freien Zugang zu wissenschaftlichen Wahrheiten beschnitten hätte. Die Kirche hat es nie so leicht gehabt wie ich, sich mit der scheinbaren Unvereinbarkeit zwischen Gott und Einstein abzufinden.
Am gestrigen Abend, als OToole von einer touristischen Tagestour in sein Hotel zurückkehrte, erwartete ihn dort ein
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