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Rendezvous mit Übermorgen

Rendezvous mit Übermorgen

Titel: Rendezvous mit Übermorgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur C. Clarke
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gleich hinter uns!«
    Seltsam, es so auszudrücken , dachte Nicole, während sie ihre Frage formulierte. »Janos, in Ihrem Bericht steht kein Wort darüber, dass Sie kurz vor dem Ramamanöver an den Kontrollkasten von RoSur gelangt haben. Und ich hätte schwören können, dass ich Ihre Finger auf dem Keyboard sah, ehe es mich gegen die Wand schleuderte.«
    Nicole sprach nicht weiter. Auf dem Gesicht des Kosmonauten Tabori war keinerlei Ausdruck erkennbar. Er sah aus, als denke er an etwas ganz anderes. »Ich kann mich nicht daran erinnern«, antwortete er schließlich dumpf. »Sie könnten recht haben. Vielleicht hab ich, als ich mit dem Kopf aufprallte, teilweise das Gedächtnis verloren.«
    So, und jetzt Schluss /, befahl Nicole sich, während sie eindringlich ihren Arztkollegen ansah. Hier kannst du jetzt nichts mehr erfahren.

19 Initiation
    Genevieve brach plötzlich in Tränen aus. »Ah, maman«, schluchzte sie, »ich hab dich doch so lieb, und das Ganze ist so absolut grässlich!«
    Nicoles Tochter verschwand hastig aus dem Bildrahmen und machte ihrem Großvater Platz. Pierre blickte einige Sekunden lang nach rechts, um sicherzugehen, dass Genevieve außer Hörweite sei, dann wandte er sich dem Monitor zu. »Die letzten vierundzwanzig Stunden haben ihr ganz besonders schlimm zugesetzt. Du weißt ja, wie sie dich anbetet. Einige Auslandsmedien haben behauptet, du hättest die Operation verpatzt. Heute Abend hat ein Fernsehreporter aus Amerika sogar unterstellt, dass du dabei betrunken gewesen seist.«
    Er schwieg. Auch im Gesicht ihres Vaters zeigte sich die Anspannung. »Genevieve und ich wissen natürlich, dass beide Unterstellungen falsch sind. Wir lieben dich uneingeschränkt und sind mit all unsrer Kraft bei dir.«
    Der Schirm wurde dunkel. Nicole hatte die Videoverbindung hergestellt, und anfangs hatte sie der Kontakt zu ihrer Familie gefreut. Als aber nach der zweiten Übertragung ihr Vater und ihre Tochter zwanzig Minuten später wieder auf dem Bildschirm erschienen, wurde ihr klar, dass die Vorfalle an Bord der Newton auch das Leben in Beauvois gestört hatten. Genevieve insbesondere war tief bedrückt. Als sie über General Borzow sprach, kamen ihr immer wieder die Tränen (sie war ihm mehrmals begegnet, und der onkelhafte Russe war zu ihr stets besonders freundlich gewesen), und sie konnte sich kaum zusammennehmen, bis sie kurz vor dem Ende der Verbindung erneut zu weinen begann.
    Also habe ich auch euch in eine peinliche Lage gebracht , dachte Nicole, während sie sich auf ihr Bett fallen ließ. Sie rieb sich die Augen. Sie war entsetzlich müde. Langsam, ohne recht zu merken, wie niedergedrückt sie auf einmal geworden war, zog sie sich aus, um schlafen zu gehen. Ihr Gedanken kreisten unruhig um die Vorstellung, wie es für ihre Tochter in der Schule in Luynes sein musste. Der Gedanke, dass eine der Freundinnen ihr Fragen über die Operation und Borzows Tod stellen könnte, ließ Nicole innerlich zusammenzucken. Meine süße kleine Tochter, dachte sie, du weißt doch genau, wie sehr ich dich liebe! Wenn ich dir nur diesen Schmerz ersparen könnte! Nicole hätte die Kleine so gern in die Arme genommen, sie fest an sich gedrückt und ihr das Böse fortgestreichelt, wie nur eine Mutter es kann. Aber das war ja unmöglich. Genevieve war hundert Millionen Kilometer von ihr entfernt.
    Dann lag sie auf dem Rücken im Bett. Sie schloss die Augen, schlief aber nicht. Sie fühlte sich abgrundtief allein, schmerzlicher einsam als je zuvor in ihrem Leben. Sie begriff, dass es sie nach ein bisschen Mitgefühl verlangte, nach einem anderen Menschen, der ihr sagen würde, dass dieses Gefühl der eignen Unzulänglichkeit übertrieben und realitätsfern sei. Doch da war keiner. Ihr Vater, ihre Tochter waren drunten auf der Erde. Von den zwei Bordkameraden, mit denen sie am vertrautesten war, war der eine tot, und der zweite führte sich verdächtig auf.
    Ich habe versagt. Bei meiner wichtigsten Aufgabe habe ich versagt.
    Sie erinnerte sich an eine andere Gelegenheit, bei der sie versagt hatte. Damals war sie erst sechzehn Jahre alt gewesen. Damals hatte sie an einem gigantischen landesweiten Wettbewerb im Rahmen des 750sten Todestages der »Pucelle« um die Rolle der Jeanne d'Arc beworben. Wäre sie Siegerin geworden, sie hätte zwei Jahre lang bei Festvorstellungen die Jungfrau von Orleans darstellen dürfen. Sie hatte sich Hals über Kopf in die Vorbereitung auf die Ausscheidung gestürzt, hatte jedes Buch über

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