Rendezvous um Mitternacht
hat sich nie um jemanden gesorgt außer um sich selbst. Das war auch der Grund, warum er vor drei Jahren Schwierigkeiten mit der Landesärztekammer bekam.«
»Dein Vater hatte Schwierigkeiten mit der Landesärztekammer?«
»Ihm wurde die Lizenz entzogen, weil er etwas manipuliert hat.«
»Zu seinen Gunsten?«
»Ja, er hat die Resultate eines Testverfahrens manipuliert.«
»Erzähl mir doch mal was über das Verhältnis zwischen deinem Großvater und deinem Vater.« Ich brannte darauf, etwas über die Familiendynamik der Sables zu erfahren. »Wie kamen die beiden miteinander aus, bevor es dich gab?«
Steven drehte seine Gabel zwischen den Fingern. »Mein Großvater hat mir einmal erzählt, dass er als Junge davon träumte, Medizin zu studieren und Arzt zu werden. Aber sein Vater wollte davon nichts wissen. Er hat meinen Großvater gezwungen, das Familienunternehmen weiterzuführen, hauptsächlich Holzhandel und Bergbau. Als mein Großvater einen Sohn bekam, zwang er ihn, seinen unerfüllten Traum wahr zu machen. Aber mein Vater ist zweimal von der Uni geflogen, bis er das Studium abschloss.«
Unsere Unterhaltung wurde unterbrochen, weil die Bedienung mit unserem Essen kam. Als sie wieder verschwunden war, erzählte Steven weiter. »Mein Vater ist also fertig mit dem Studium, macht aber nichts daraus. Stattdessen geht er nach Südamerika und wird ein Playboy. In Argentinien lernt er dann meine Mutter kennen und hat viele Jahre eine Affäre mit ihr. Als er zurück in die USA kommt, ist mein Großvater so wütend über sein Benehmen, dass er ihm kein Geld mehr gibt, sondern fordert, mein Vater solle in seinem Beruf arbeiten, um seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen.«
»Autsch«, mummelte ich zwischen zwei Bissen Pommes frites. »Das nenne ich hart durchgreifen.«
»Exakt. Mein Vater hat gerade noch genug Geld, um sich die paar Monate bis zur Facharztprüfung über Wasser zu halten, die er knapp besteht. Er macht eine Praxis auf. Aber sein Problem ist, dass es lange dauert, bis die Praxis Geld abwirft, und mein Vater war nie für seine Geduld bekannt. Ein halbes Jahr nach der Eröffnung erneuert er seine Beziehung zu seiner Freundin vom College und macht ihr einen Heiratsantrag.«
»Er ist mit Corrin Wharton verheiratet, oder?«
»Du hast von ihr gehört?«
»Nein, hauptsächlich von ihrem stinkreichen Vater.« Ich wackelte mit den Augenbrauen.
»Ich glaube, es war Liebe auf den ersten Blick«, sagte Steven zynisch.
»Okay, er heiratet also Corrin. Wie ging’s weiter?«
»Mein Vater denkt, er ist fein raus, und kehrt zu seinem alten Lebensstil zurück – fährt immer wieder für lange Zeit nach Argentinien und macht meiner Mutter falsche Versprechungen. In dieser Zeit wurde sie mit mir schwanger. So wie sie es erzählte, war alles gut, bis eine Freundin von Corrin meinen Vater mit ihr erwischte.«
»Die Sache nimmt neue Dimensionen an«, bemerkte ich.
»Wie bitte? Sie nimmt was?«
»Sie wird kompliziert.«
»Ja, sehr. Mein Vater sagte darauf zu meiner Mutter, er müsse zurück nach Boston und das Problem klären, aber er werde bald zurückkommen, und dann würden sie beide heiraten.«
»Lass mich raten«, sagte ich und dachte, dass Steven zum Glück den gesunden Menschenverstand seiner Mutter geerbt hatte. »Deine Mutter sieht ihn niemals wieder.«
»Bingo.« Steven feuerte einen imaginären Schuss auf mich ab. »Als mein Vater zurück nach Boston kommt, droht seine Frau ihm, sich scheiden zu lassen, wenn er das Playboyleben nicht aufgibt, und damit er nicht wieder auf dumme Gedanken kommt, zwingt sie ihn, seine Praxis wieder aufzunehmen. Sie bezahlt auch seine Helferinnen dafür, dass sie ein Auge auf ihn werfen und ihr über alles Bericht erstatten.«
Ich kicherte los. »Ein Auge auf ihn haben! Das mit dem Werfen wollte sie ja gerade verhindern!«
Er zuckte gleichmütig mit den Schultern. »Na gut, dann haben sie sie halt nicht geworfen.«
»Und hat sich das Verhältnis zwischen deinem Vater und deinem Großvater je wieder gebessert, nachdem dein Vater versucht hatte, ihn für unzurechnungsfähig zu erklären, weil er dich als Enkel anerkannt hatte?«
Steven nickte. »Ja, aber nur an der Oberfläche. Nach ein paar Jahren begann mein Vater, meinen Großvater hier regelmäßig zu besuchen, außer natürlich im Sommer, wenn ich da war; dann kam er nur ein-, zweimal und wohnte im Ort bei Helen. Die beiden gingen auf die Jagd. Dafür konnte ich mich nie begeistern, aber sie hatten anscheinend
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