Rendezvous um Mitternacht
stand nicht mehr da, also betraten wir das Gebäude.
Roger Dillons Kanzlei sah aus wie der Laden eines Tierpräparators. Jede Wand und sonstige senkrechte Fläche in der Lobby war mit ausgestopften Tierköpfen behängt. Es gab keine zwei Köpfe, die derselben Tierart gehörten. Da waren ein Hirsch, ein Bär, ein Fuchs sowie einige exotischere Spezies wie Gazelle und Zebra. Es gab sogar einen Nashornkopf, der schon so alt war, dass das Hörn anfing abzublättern. Das Ganze sah aus wie eine Szene aus einem Hitcheock-Film.
Der kleine Raum war mit dunklem Holz getäfelt, und den Boden bedeckte ein abgetretener grauer Teppich. Es roch muffig nach Moschus und altem Papier. Die beiden altgedienten Stühle sahen ungefähr so bequem aus wie der Fußboden.
Als wir eingetreten waren, hatte ein kleines Glöckchen über der Tür geklingelt, und wir hörten eine Stimme aus dem Flur: »Komme sofort!«
»Wo sind wir hier gelandet?«, fragte Steven.
»Im Foyer des Motels von Norman Bates«, sagte ich.
Da tauchte hinter dem Tresen ein winziger Mann mit rundem Gesicht und olivbrauner Haut auf. »Kann ich Ihnen helfen?«
Steven streckte dem Mann die Hand hin. »Hallo. Ich bin Dr. Steven Sable. Ich dachte, ich kenne alle Leute hier im Ort, aber Sie habe ich noch nie getroffen, glaube ich.«
Der Mann musterte Steven einen Augenblick lang, ehe er ihm die Hand schüttelte. Er war höchstens einsvierzig groß, trug aber eine extravagante Kombination aus braunem Tweedanzug und orangefarbener Fliege. Er hatte große blaue Augen und kurzes weißes Haar, das an einigen Stellen wild abstand. Alles in allem erinnerte er mich an einen Oompa-Loompa.
»Schön, dass ich Sie endlich kennenlerne, Steven«, sagte der Mann. »Ich habe Ihren Großvater gut gekannt. Wir haben ein paar herrliche Jagdausflüge zusammen gemacht, er und ich. Leider habe ich ihn nie zu einer Safari überreden können.«
Steven lächelte, als er den Händedruck erwiderte. »Sind Sie der große Jäger, von dem mein Großvater immer gesprochen hat?«
Ich spürte, dass Steven log. Dillons schmächtiger Brustkorb schwoll an. »Ihr Großvater hat von mir erzählt?«
»Ja. Er meinte, Sie seien ein sehr geschickter Jäger.«
Dillon lächelte breit. »Ich wusste gar nicht, dass er so dachte. Er hat mich immer wegen meiner Trophäen aufgezogen.« Mit einer weiten Geste wies er auf die Wände. »Aber vielleicht war das nur seine Art. Ach, wissen Sie, dass Sie gerade Ihren Vater verpasst haben?«
»Oh, wirklich?«, gab Steven beiläufig zurück. »Schade. Wäre nett gewesen, ihn zu treffen.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie so gut miteinander stehen«, bemerkte Dillon. »Aber ich nehme an, Andrews Tod hat Sie einander wohl endlich etwas nähergebracht.«
»Mmmm«, machte Steven vage. Sollte Dillon denken, was er wollte.
»Ja, was kann ich denn für Sie beide tun?«, fragte dieser nun.
Steven wandte sich der nächsten Wand zu, um die Trophäen eingehend zu studieren. »Ich hörte, dass Sie einer der letzten Menschen waren, die mit meinem Großvater gesprochen haben, bevor er starb«, sagte er leichthin. »Ich dachte, vielleicht würden Sie mir den Gefallen tun und mir erzählen, womit er zuletzt beschäftigt war oder worüber Sie beide gesprochen haben.«
Dillons Gesicht verdüsterte sich. »Ich fürchte, das geht nicht. Das ist vertraulich.«
Steven drehte sich zu ihm um. »Wie kann das vertraulich sein? Mein Großvater ist tot. Ich denke, es würde ihm nichts ausmachen, wenn Sie es mir erzählen.«
»Ihm vielleicht nicht, aber möglicherweise der zweiten beteiligten Partei.«
Steven warf mir einen raschen Blick zu. »Ah. Verstehe. Ist das ein Grizzlybär?«
Dillon strahlte. »Oh ja, natürlich. Aber das Glanzstück meiner Sammlung steht in meinem Büro. Vor etwa zehn Jahren hatte ich in Kanada das Glück, einen Eisbären zu erwischen – eines der blutrünstigsten Raubtiere der Erde, wissen Sie!«
»Sie machen Witze«, staunte Steven. »Sie haben einen Eisbären erlegt?«
»Ja. Hab ihn ausstopfen und aufstellen lassen. Hat mich eine ganz schöne Stange Geld gekostet, das kann ich Ihnen sagen!«
Begeistert fragte Steven: »Darf ich ihn mal sehen?«
»Sicher, kommen Sie doch mit nach hinten, ich zeige ihn Ihnen.« Dillon winkte ihm zu folgen und eilte durch den Flur davon.
Steven drehte sich zu mir um. »Kommst du mit?«
»Also, ich bin ziemlich platt. Ich würde gern eine Minute lang einfach nur ausruhen. Geh nur, ich bleibe hier sitzen.« Und ich ließ mich
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