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Rendezvous um Mitternacht

Rendezvous um Mitternacht

Titel: Rendezvous um Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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beide Spaß daran. Trotzdem glaube ich nicht, dass mein Großvater meinem Vater je wieder vertraute.«
    »Glaubst du, Steven senior hat ihm nur was vorgespielt, um wieder in seiner Gunst zu steigen?«
    »Mein Vater wurde an der kurzen Leine gehalten«, sagte Steven. »Er konnte nichts tun, ohne dass seine Frau davon erfuhr. Nur hier bei meinem Großvater hatte er angeblich ein bisschen Freiheit.«
    »Aber der nahm ihm das nicht ab«, schloss ich.
    »So ist es.«
    »Und wie bist du zur Medizin gekommen? Ich meine, nach allem, was ich von deinem Vater weiß, würde ich tippen, dass es eher nicht an seinem Beispiel lag.«
    »Tja, darin liegt eine gewisse Ironie. Als ich klein war, hat meine Mutter sich sehr bemüht, mir den Eindruck zu geben, mein Vater sei ein großer, bedeutender Arzt, und er könne nur darum nicht bei uns wohnen, weil er so damit beschäftigt sei, auf der ganzen Welt Kinder zu retten.«
    »Die Arme«, sagte ich bedauernd. »Sie hatte bestimmt ein schlechtes Gewissen, dass du keine richtige Vaterfigur hattest.«
    Steven nickte. »Hatte sie. Nun, als ich zu meinem Großvater kam und die Wahrheit über den Charakter meines Vaters erfuhr, hatte ich mir schon in den Kopf gesetzt, selbst ein großer Arzt zu werden.«
    »Dein Großvater war sicher begeistert! Der Enkel entscheidet sich endlich freiwillig für das, wozu er seinen Sohn in den Arsch treten musste.«
    »Ja. Mein Großvater bestand jedenfalls darauf, dass ich die bestmögliche Ausbildung haben sollte. Als er mit meiner Mutter darüber sprach, schlug die ein Internat in Deutschland vor. Ihre Cousine hatte einen Deutschen geheiratet, und sie wohnten gar nicht weit von der Schule entfernt, also hatte ich Verwandte in der Nähe, sodass ich nicht so einsam war.«
    »Du hast deine Mutter sicher vermisst.« Ich beobachtete sein Gesicht genau.
    »Ja, das habe ich, glaube mir. Aber ich habe sie zu Weihnachten, zu Ostern und im Sommer gesehen, wenn wir beide hierherkamen. Und im Grunde war es sehr gut für mich. So habe ich Deutsch und Englisch gelernt und viel von der Welt gesehen.«
    »Also sprichst du drei Sprachen?«, fragte ich, ziemlich fasziniert, wie weltläufig Steven war.
    »Fünf. Ich spreche auch Französisch und Italienisch. Aber in Englisch habe ich die wenigste Übung.«
    Ich warf ihm einen scherzhaft ungläubigen Blick zu. »Dein Vater wollte wirklich nie etwas mit dir zu tun haben? Er hat nie auch nur den Versuch gemacht, dich kennenzulernen?«
    »Nie. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum mein Großvater mir sein Vermögen hinterließ und nicht meinem Vater. Er wusste, dass der mich niemals als Erben anerkennen würde. Indem er mich im Testament bedachte, konnte er dafür sorgen, dass ich wirklich ein Sable werde.«
    »Wusste dein Vater, dass du alles erben würdest?«
    Steven lächelte. »Oh, das bezweifle ich. Ich hörte in Deutschland, dass er … wie heißt das, wenn man so zornig ist, dass man kawumm macht?«
    »In die Luft gehen?«
    »Ja, dass er bei der Testamentseröffnung in die Luft ging und kawumm machte.«
    Ich lachte. »Komm. Gehen wir bei Gilley vorbei und schauen, ob er noch was über unsere Liste interessanter Personen herausgefunden hat.«
    Wir verließen das Restaurant, stiegen wieder ins Auto und fuhren zu Helens Bed & Breakfast. Unterwegs schaute ich träge aus dem Fenster. Nach den grausigen Ereignissen des Tages wurden mir jetzt, da ich satt und in Sicherheit war, die Augenlider schwer. Als wir an einer der drei Ampeln des Ortes standen und ich alle Mühe hatte, wach zu bleiben, sah ich Stevens Vater aus einem kleinen, einzeln stehenden Gebäude kommen, an dem ein Schild mit der Aufschrift R OGER D ILLON , R ECHTSANWALT angebracht war. Ich drückte Steven den Arm. »Warte. Schau mal da hin.«
    »Der ist auch überall, wo wir sind, oder?«, bemerkte Steven, während sein Vater um die Ecke in eine Seitenstraße bog und zu dem Rolls-Royce ging, der dort parkte. Da hupte das Auto hinter uns. Steven legte den Gang ein. Ich fasste nochmals seinen Arm. »Ja, und schau dir das Schild an dem Haus mal genau an.«
    Der Fahrer hinter uns hupte ein zweites Mal. Als Steven das Schild sah, spannten sich seine Kiefermuskeln an. Dann trat er aufs Gas, fuhr an den Straßenrand und stellte das Auto vor Jeanie’s Stofflädchen ab. »Komm mit«, sagte er und sprang heraus.
    Ich eilte ihm nach. Wir gingen den halben Block zu dem Gebäude zurück und warfen dabei einen Blick in die Seitenstraße, ob die Luft rein war. Der Rolls-Royce

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