Rendezvous
Sapphos«, warf Augusta heiter ein.
Harry bedachte sie mit einem scharfen Blick. »Ich wusste gar nicht, dass du solche Dinge liest, meine Liebe.«
»Nun, ja, du bist dir doch über mein frivoles Naturell im klaren.«
»Ja, aber Sappho ?«
»Sie hat sehr reizvoll die Gefühle geschildert, die die Liebe in Menschen wachruft.«
»Verdammt noch mal, soweit wir wissen, hat sie die meisten dieser Gedichte für andere Frauen geschrieben...« Harry ließ seinen Satz abreißen, als er Merediths faszinierten Blick bemerkte.
»Ich habe den Verdacht, die Gefühle, die wahre Liebe wachruft, sind universell«, sagte Augusta nachdenklich. »Sowohl Männer als auch Frauen können ihnen erliegen. Bist du nicht meiner Meinung?«
Harry sah sie finster an. »Ich glaube«, sagte er grimmig, »das reicht für den Moment von diesem Thema.«
»Selbstverständlich.« Augustas Aufmerksamkeit wurde von einem Neuankömmling abgelenkt, den sie in der Tür entdeckte. »Oh, sieh nur, da ist ja Miss Fleming. Sieht sie heute Abend nicht blendend aus?«
Alle wandten sich automatisch zu Clarissa um, die dastand und sich voller Unbehagen in dem vollen Salon umsah. Sie trug das Kleid aus amethystfarbenem Satin, das Augusta für sie ausgesucht hatte, und ihr Haar war zu einem klassischen Knoten aufgesteckt worden, den ein Haarband hielt. Sie hatte eine stolze Haltung eingenommen, die Schultern zurückgezogen und das Kinn vorgereckt, als sie sich darauf vorbereitete, sich mit der gesellschaftlichen Situation zu konfrontieren, die ihr Unbehagen einflößte.
»Gütiger Gott«, murmelte Harry und trank einen Schluck von seinem Bordeaux. »So habe ich Tante Clarissa noch nie gesehen.«
Sir Thomas war gefesselt. Er starrte die Gestalt an, die in der Tür stand. »Augusta, was sagtest du doch gleich, wer das ist?«
»Eine Verwandte von Graystone. Eine hochintelligente Frau, Onkel. Du wirst sie außerordentlich interessant finden. Sie hat Nachforschungen zu genau dem Thema angestellt, über das wir gerade geredet haben.«
»Ach, wirklich? Ich muss schon sagen, ich würde wirklich gern ausführlicher mit ihr über dieses Thema reden.«
Augusta lächelte, da diese Reaktion sie zufriedenstellte. »Ja, gewiss. Wenn du mich jetzt entschuldigst, werde ich sie holen.«
»Unter allen Umständen«, sagte Sir Thomas hastig.
Augusta löste sich von dem Grüppchen und ging auf die Tür zu, um Clarissa abzufangen, ehe die ältere Frau die Nerven verlor und die Treppe wieder hinaufraste.
»Ich muss schon sagen, Augusta, das scheint eine äußerst unterhaltsame Party zu werden«, erklärte Claudia am folgenden Abend, als sie und Augusta den überfüllten Ballsaal verließen, um frische Luft zu schnappen und ein paar Minuten ungestört miteinander reden zu können. »Der Ausflug ans Meer bei Weymouth heute hat großen Spaß gemacht. «
»Danke. «
Im Ballsaal setzten die Musiker zu einem Landler an, und die Gäste strömten begeistert auf die Tanzfläche. Neben den elegant gekleideten Besuchern aus London war der farbenprächtig gekleidete Landadel stark vertreten. Sämtliche Nachbarn im Umkreis von Meilen um Graystone herum waren zu dem Ball eingeladen worden. Augusta hatte ein aufwendiges Büfett aufbauen lassen und für reichliche Mengen Champagner gesorgt.
Da sie sich durchaus darüber klar war, dass in dem großen Haus zum ersten Mal seit vielen Jahren ein solches Fest veranstaltet wurde, hatte Augusta absolute Perfektion angestrebt, und insgeheim war sie begeistert von den Ergebnissen. Es war ganz offensichtlich, dass ihr Zweig der Ballinger-Familie die Gabe besaß, Feste zu feiern. Sie hatten es im Blut.
»Es freut mich sehr, dass ihr nach Dorset kommen konntet, du und Onkel Thomas.« Augusta blieb neben einem runden Steinbrunnen stehen und sog die kühle Nachtluft tief in sich ein. »Ich habe mir schon so lange gewünscht, euch gehörig für alles danken zu können, was ihr seit Richards Tod für mich getan habt.«
»Also, wirklich, Augusta. Dafür bist du uns keinen Dank schuldig.«
»Du und dein Vater, ihr seid in London sehr gut zu mir gewesen, Claudia. Ich fürchte, dass ich meine Dankbarkeit nicht immer in der entsprechenden Form zeigen konnte, und ich konnte mich auch nicht erkenntlich zeigen.«
Claudia schaute in das dunkle Brunnenwasser. »Du hast dich in Formen erkenntlich gezeigt, die du noch nicht einmal ahnst, Augusta. Das ist mir jetzt klar.«
Augusta blickte schnell auf. »Das ist sehr nett von dir, Cousine, aber wir wissen beide,
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