Rendezvous
Forschungen lese, ist, dass es dir in jedem einzelnen deiner Bücher gelungen ist, die Rolle und den Beitrag von Frauen zu ignorieren. «
»Frauen?« Harry sah sie verständnislos an. Er fasste sich sofort wieder. »Frauen machen nicht Geschichte.«
»Diesen Eindruck gewinnt man in erster Linie deshalb, weil die Geschichte von Männern geschrieben wird, von Männern wir dir«, sagte Augusta. »Aus irgendwelchen Gründen entschließen sich männliche Schreiber, den Errungenschaften der Frauen keine Aufmerksamkeit zu widmen. Das ist mir ganz besonders deutlich geworden, als ich Nachforschungen für die Einrichtung von Pompeia's angestellt habe. Es war sehr schwierig, die Informationen zu erhalten, die ich brauchte.«
»Gütiger Himmel, ich traue meinen eigenen Ohren nicht.« Harry stöhnte. Das ging zu weit. Er wurde von einem übertrieben emotionalen kleinen Fratz, der Scott und Byron las, zur Rechenschaft gezogen. Und dann breitete sich gegen Harrys Willen ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Etwas sagt mir, dass du eine interessante Bereicherung meines Haushalts sein wirst.«
Graystone, das große Haus auf Harrys Anwesen in Dorset, war so robust und furchteinflößend wie der Mann selbst. Es war ein imposantes Gebäude von klassischen palladianischen Proportionen, das über makellos gepflegten Gärten aufragte. Die letzte Morgensonne schimmerte auf den Fensterscheiben, als die Kutsche die Auffahrt hinauffuhr.
Geschäftiges Treiben brach aus, als die Dienstboten nach draußen eilten, um sich um die Pferde zu kümmern und ihre neue Herrin zu begrüßen. Augusta sah sich eifrig um, als Harry ihr beim Aussteigen aus der Kutsche behilflich war. Das hier war ihr neues Zuhause, sagte sie sich immer wieder. Aus irgendeinem Grunde schien sie die Veränderung noch nicht in vollem Ausmaß zu erfassen, die sich gestern morgen in ihrem Leben vollzogen hatte. Sie war jetzt die Gräfin von Graystone. Harrys Frau. Das hier waren ihre Bediensteten.
Sie hatte endlich ein eigenes Zuhause.
Dieser Gedanke ging ihr gerade durch den Kopf, als ein kleines dunkelhaariges Mädchen durch die offene Tür gerannt kam und die Treppen hinunterstürmte. Sie trug ein allzu schlichtes, fast schon strenges weißes Musselinkleid, das keine einzige Rüsche oder Schleife zierte.
» Papa . Papa, du bist zu Hause. Ich bin ja so froh.«
Harrys Züge wurden weicher, und er lächelte wahrhaft liebevoll, als er sich bückte, um seine Tochter zu begrüßen. »Ich habe mich schon gefragt, wo du wohl stecken magst, Meredith. Komm mit und lass mich dir deine neue Mutter vorstellen.«
Augusta hielt den Atem an und fragte sich, wie sie wohl willkommen geheißen würde. »Hallo, Meredith. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen.«
Meredith wandte den Kopf um und sah Augusta aus intelligenten kristallgrauen Augen an, die sie nur von ihrem Vater haben konnte. Augusta stellte fest, dass sie ein wunderschönes Kind war.
»Du kannst nicht meine Mutter sein«, erklärte Meredith mit unerschütterlicher Logik. »Meine Mutter ist im Himmel.«
»Das ist die Dame, die ihren Platz einnehmen wird«, sagte Harry streng. »Du musst sie Mama nennen.«
Meredith musterte Augusta misstrauisch und wandte sich dann wieder an ihren Vater. »Sie ist nicht so schön wie Mama. Ich habe das Porträt in der Galerie gesehen. Mama hatte goldenes Haar und schöne blaue Augen. Ich werde diese Dame nicht Mama nennen.«
Augusta sank das Herz, doch sie zwang sich zu einem Lächeln, als sie sah, dass sich Harrys Miene auf diese Bemerkung hin verfinsterte. »Ich bin gewiss nicht annähernd so hübsch wie deine Mutter, Meredith. Wenn sie so hübsch war wie du, dann muss sie wirklich wunderschön gewesen sein. Aber vielleicht wirst du andere Dinge an mir entdecken, die du magst. Warum redest du mich bis dahin nicht an, wie du willst? Es ist nicht nötig, dass du mich Mama nennst.«
Harry sah sie ärgerlich an. »Meredith soll dir den entsprechenden Respekt erweisen, und das wird sie auch tun.«
»Ja, ich bin sicher, dass sie das tun wird.« Augusta lächelte das kleine Mädchen an, das plötzlich sehr betroffen wirkte. »Aber es gibt viele respektvolle Anreden, die sie verwenden kann, nicht wahr, Meredith?«
»Ja, Madam.« Das Kind warf einen unsicheren Blick auf seinen Vater.
Harry zog streng die Augenbrauen hoch. »Sie wird dich Mama nennen, und dabei bleibt es. Also, Meredith, wo steckt deine Tante Clarissa?«
Eine große, grobknochige Frau in einem schmucklosen, nüchtern
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