Rendezvous
kleinen Luders wie Augusta war eine solche Macht enorm gefährlich.
Daher hatte Harry beschlossen, es sei das beste, in seiner Ehe gleich zu Beginn einen Standpunkt zu beziehen und deutlich klarzustellen, dass es ihm nicht an Selbstbeherrschung mangelte. Fang gleich so an, wie du weiterzumachen gedenkst, hatte er sich gesagt.
Als sie letzte Nacht in einem Gasthaus Rast gemacht hatten, hatte er unter dem Vorwand, sie hätte sicher lieber ihre Zofe bei sich, ein Zimmer für Augusta gebucht. In Wahrheit hatte er sich selbst nicht getraut und war nicht sicher gewesen, ob er seine Hochzeitsnacht wirklich auf seiner eigenen Bettseite verbringen würde.
Heute Abend hatte er sich gezwungen, seiner Frau in der Tür ihres Schlafzimmers übertrieben höflich eine gute Nacht zu wünschen. Er hatte ihr bewusst keinen Hinweis auf seine Absichten gegeben. Er fragte sich, ob sie selbst jetzt noch wach lag und wartete, ob er zu ihr kommen würde.
Die Unsicherheit würde ihr guttun, sagte er sich. Die Frau war entschieden zu impulsiv und viel zu schnell mit einer Provokation bei der Hand, wie die ganze verfluchte Geschichte mit den Schulden bei Lovejoy bewies. Sie hatte sich nur deshalb in diese gefährliche Situation gebracht, weil sie versucht hatte, Harry zu demonstrieren, dass sie nicht gezwungen war, sich seinen Wünschen zu beugen.
Harry stand von seinem Stuhl auf und lief durch das Zimmer, um sich noch ein Glas Cognac einzuschenken. Er hatte Augusta bisher viel zu nachsichtig behandelt; darin lag das Problem. Viel zu rücksichtsvoll. Schließlich war sie eine Northumberland-Ballinger. Sie brauchte eine feste Hand. Er war es ihrer beider zukünftigem Glück schuldig, ihre leichtsinnige Ader im Zaum zu halten.
Doch je länger er heute Nacht darüber nachdachte, desto öfter fragte sich Harry, ob er die richtige Taktik einschlug, wenn er sich dem Schlafzimmer seiner Frau fernhielt.
Er trank noch einen Cognac und sann über die sengende Glut in seinen Lenden nach.
Es gab noch eine andere Sichtweise seiner momentanen Situation, beschloss er, als ihm der Alkohol eine plötzliche Weisheit eingab. Wenn man das alles einmal ganz logisch betrachtete — und er hielt sich viel auf seine Fähigkeit zu logischem Denken zugute —, dann konnte man erkennen, dass er vielleicht besser daran tat, seine Vorrechte als Ehemann gleich von Anfang an geltend zu machen.
Ja, diese Argumentation war wesentlich stichhaltiger als seine bisherigen Überlegungen zu diesem Thema. Schließlich war das, was er hier unter Beweis stellen musste, nicht seine Selbstbeherrschung, sondern seine dominante Rolle in der Ehe. Er war der Herr in seinem Haus.
Die Richtung, die seine logischen Gedankengänge jetzt eingeschlagen hatte, überzeugten Harry weit mehr, und er stellte sein Glas ab und lief durch sein Zimmer, um die Tür zum Schlafzimmer seiner Frau zu öffnen.
Er blieb in der Tür stehen und schaute in die tiefe Dunkelheit, die das Bett umgab. »Augusta?«
Keine Antwort.
Harry trat in das Schlafzimmer und stellte fest, dass niemand in dem Himmelbett lag. «Verdammt, Augusta, wo steckst du?«
Als er immer noch keine Antwort bekam, wandte er sich abrupt ab und stellte fest, dass die Tür zum Korridor angelehnt war. Seine Eingeweide schnürten sich zusammen, als ihm klar wurde, dass sie sich nicht in ihrem Zimmer aufhielt.
Was für einen Streich wollte sie ihm heute Nacht schon wieder spielen? fragte er sich, als er zur Tür ging und in den Korridor hinaustrat. Wenn das wieder einer ihrer Versuche war, ihn im Kreis herumzuführen, bis ihm schwindlig wurde, dann würde er dem in unmissverständlichen Worten einen Riegel vorschieben.
Er trat in den Gang hinaus und sah die gespenstische Gestalt. Augusta, die einen hellen Morgenmantel trug, der hinter ihr herflatterte, war mit einer Kerze in der Hand auf dem Weg zu der langen Galerie mit den Porträts im vorderen Teil des Hauses. Da er jetzt neugierig geworden war, beschloss Harry, der Geistererscheinung zu folgen.
Als er leise hinter ihr herlief, verspürte Harry ein Gefühl von Erleichterung. In dem Moment wusste er, dass er insgeheim gefürchtet hatte, sie hätte eine Tasche gepackt und sei in die Nacht hinausgelaufen. Er hätte es besser wissen müssen, sagte er sich. Es sah Augusta gar nicht ähnlich, vor irgend etwas davonzulaufen.
Er folgte ihr in die lange Galerie und blieb am hinteren Ende stehen und beobachtete sie, als sie langsam an der Reihe von Porträts vorbeilief. Sie blieb vor jedem
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