René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
Schnitzler muss jetzt Angebote prüfen, muss abwägen, was am wichtigsten ist: Die Bezahlung? Der Ruf des Vereins? Die Perspektive der Mannschaft? Oder eher die Chancen für ihn selbst? Auf welche Konkurrenten im Sturm würde er treffen? Könnte er Stammspieler werden? Sich damit fest in der Zweiten Liga etablieren? Hoffenheim und St. Pauli sind ja Klubs, die kurz-, allenfalls mittelfristig in die Erste Liga wollen. Soll er darauf setzen, mit dem Verein ganz nach oben zu kommen, notfalls auch als Ersatzmann? Oder muss er spielen, spielen, spielen, mit starken Leistungen für sich werben und, wie jetzt gerade in Gladbach, so das Begehren anderer Klubs wecken?
Fußballspieler haben Berater, um in solchen Situationen richtig zu entscheiden, und Schnitzler hatte sich dem erwiesenen Fußballfachmann Gerd vom Bruch anvertraut. Doch die Zusammenarbeit ist beendet. Schnitzler sagt, einmal habe vom Bruch ihm nicht zu 100 Prozent geglaubt, deshalb habe er ihm sofort gekündigt. Das Schreiben hat er tatsächlich noch. Der Berater erzählt die Sache anders: »Schnitzel war der einzige Spieler, von dem ich mich getrennt habe.«
Sicher ist, dass am Ende der Geschäftsbeziehung eine ganze Reihe Krisengespräche hinter dem Agenten und seinem Spieler lagen. Immer wieder stieg Schnitzler die Treppen hoch in die Agentur in Mönchengladbach-Rheydt, wo Trikots an den Dachschrägen hängen und vom Bruch feststellte, dass dem Stürmer »der Wohlfühlfaktor doch ziemlich wichtig« war. »Anstrengendes hat Schnitzel verdrängt. Wir haben so oft besprochen, dass er damit auf der falschen Spur war. Er wollte die Regularien nicht annehmen, die notwendig sind im Profigeschäft. Zu wie viel Prozent macht Talent einen Profi aus?«, fragt vom Bruch. »Zu 25 Prozent? Oder gar zu 40 Prozent? Viel höher dürfte der Anteil nicht liegen. Das war Schnitzels Pech.«
Vom Bruch verkörpert das, was man als »Alte Schule« bezeichnen könnte. Er ist keiner jener Berater, die ihre Spieler von morgens bis abends lenken und unter Kontrolle haben wollen. Fußballprofis, das sieht er durchaus, müssen heutzutage eher zu viel funktionieren. »Im Grunde sind das doch moderne Sklaven. Die Bezahlung ist sehr gut, das natürlich, aber die Jungs dürfen nichts.« Nicht trinken, nicht feiern, nichts Fettiges, Schweres essen, das meint vom Bruch. Und ist dann wieder bei Schnitzler und dessen Talent. »Wenn der sich einigermaßen entwickelt und nur die Hälfte aller Regeln eingehalten hätte, wäre der Erstligaspieler geworden.«
Dass er sich von seinem Berater getrennt hat, sei richtig gewesen, findet Schnitzler auch im Rückblick. Ob es insgesamt schlau gewesen sei, fortan auf den Rat Gerd vom Bruchs zu verzichten, sei eine andere Frage.
Die wohl wichtigsten Vertragsverhandlungen in René Schnitzlers Laufbahn führt dann Thomas Decker von
»Grass is green«. Die Hamburger Agentur hat zu diesem Zeitpunkt keine allzu bekannten Fußballer unter ihren Kunden und im Grunde auch sonst nichts, was eine Zusammenarbeit für einen talentierten 22-jährigen Mönchengladbacher Fußballer erstrebenswert macht. Doch Thomas Decker vertritt als Anwalt die Sängerin Yvonne Catterfeld – und Xavier Naidoo. Der ist weiterhin Schnitzlers absoluter Lieblingssänger. »Grass is green« wird ihm Freikarten für mehrere Naidoo-Konzerte besorgen.
Bei der Vereinssuche geht alles ganz schnell: Im Luxushotel »East« hinter der Hamburger Reeperbahn treffen Decker und Schnitzler auf St. Paulis Trainer Holger Stanislawski und dessen Assistenten André Trulsen. Die Parteien einigen sich ohne größeres Feilschen auf einen Zwei-Jahres-Vertrag. Schnitzlers Zukunft liegt am Hamburger Millerntor.
Der Vertrag ist schnell ausgehandelt, nun zählt Schnitzler zu den Spitzenverdienern bei St. Pauli. In Leverkusen hat er 4 000 Euro brutto kassiert, bei seiner Rückkehr nach Mönchengladbach wurde sein Grundgehalt auf 5 000 Euro erhöht. Dem FC St. Pauli ist Schnitzler jeden Monat 11 000 Euro Grundgehalt wert. Spielt Schnitzler mindestens 20 Mal in der Saison eine Halbzeit lang, dann erhöht sich das Grundgehalt auf 13 000 Euro. Mit jedem Punkt kann sich der Stürmer noch 500 Euro dazu verdienen. In den Vertrag wird sogar eine Ausstiegsklausel eingebaut: Falls Schnitzler das Interesse von Erstligisten weckt, kann er den Verein zum Ende der Spielzeit 2007/2008 für 250 000 Euro verlassen. St. Pauli ist ein Klub in finanzieller Daueranspannung. Schnitzler scheint eine Wertanlage zu sein, die eine
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