René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi Packt Aus
Wettscheine mit Tape an die Wand über seinem Platz. Es sind seine Trophäen, und die sollen bewundert werden.
Fußballwetten sind ein großes Thema in der Mannschaft, man vergleicht und fachsimpelt. »War ja auch gar nicht verboten damals«, sagt Schnitzler. »Heute dürfen Profis nicht mehr selbst wetten. Aber sie machen es, das ist zumindest meine Erfahrung, natürlich trotzdem.«
ULI
Illegale Läden nennen Zocker die Orte, an denen sie ganze Nächte und manchmal auch Tage durchspielen. Illegale Läden befinden sich überall in Deutschland, wo ja noch der Staat das Monopol auf Glücksspiel besitzt, und man muss nicht allzu tief in die Szene eintauchen, um auch in kleinen Städten auf solche Runden zu stoßen. In der Regel kennt
man einen der Teilnehmer, wird von ihm empfohlen, spielt einmal mit und darf dann, wenn man nicht allzu negativ aufgefallen ist, wieder kommen.
René Schnitzler kennt Ahmed, und Ahmed warnt ihn, als er ihn zum ersten Mal mitnimmt. Sie sitzen in Ahmeds Audi, fahren von Mönchengladbach die paar Kilometer nach Viersen herüber, und Ahmed mahnt, Schnitzler solle sich das noch mal überlegen: »Bringt nichts mit dem Zocken, die meisten sind am Ende arm dran.« Schnitzler nickt. Doch die wohlmeinenden Worte können ihn nicht mehr einfangen.
Er ist inzwischen eine Zockergröße am Niederrhein. Ganze Nächte verbringt er in einer kleinen Bude im Mönchengladbacher Bahnhofsviertel, wo mehrere Roulette-Automaten stehen. In einem anderen illegalen Laden, nur ein paar Häuser weiter, richtet er sogar mehrere Wochen lang selbst Pokerpartien aus. Die Leute kommen, Schnitzler kennt ja genug von ihnen. Wann wo was läuft und wer teilnimmt, entscheidet sich oft kurzfristig. Das Kommunikationsmittel in der Szene ist das Handy. Auch Schnitzler kündigt seine Partien per sms an.
Viersen, das erfährt Schnitzler an diesem Abend mit Ahmed, ist ein »Paradies«. Das Ladenlokal ist mit einer Kamera gesichert, durch zwei Türen, die sich elektrisch öffnen lassen, zu erreichen und nach außen hin abgedunkelt. Innen leuchten Deckenfluter den etwa 100 Quadratmeter großen Raum aus. Rechts steht eine Couch, links ein Roulette-Automat für acht Personen. An jedem Platz ist ein Schlitz angebracht, der Geldscheine von fünf bis 50 Euro einzieht. Die Spielhölle besitzt auch eine Theke, und wer die drei Treppenstufen daneben nimmt, steht vor den Kartenspiel-Tischen. An zweien wird Black Jack gespielt,
an einem gepokert, in der Regel montags, mittwochs und freitags ab 22 Uhr.
Vor den Roulette-Maschinen hängen vor allem Chinesen, oben beim Poker sitzen Menschen verschiedener Nationalitäten. Die meisten von ihnen eint, dass sie, wie Spieler das nennen, »verzockte Hunde« sind. Sie können nicht mehr aufhören mit dem Glücksspiel. Über Jahre fühlt Schnitzler sich hier, wo die Zocker noch viel mehr rauchen als im Film, keineswegs unwohl.
Mit manchen redet man viel, von anderen hört man in einer Nacht kaum einen Satz. Man respektiert sich, wie Kollegen das tun. Schnitzler lernt in Viersen einen Hotelbesitzer aus der Eifel kennen und Khun, einen netten Kerl aus Pakistan, der ein spanisches Restaurant in Mönchengladbach besessen und binnen Monaten verspielt hat und heute im Schichtdienst bei Burgerking Hackfleischscheiben brät. Einer sitzt in der Runde, den sie Pudel nennen. Pudel spricht nicht viel, wettet aber auf alles, was sich irgendwie dafür eignet. Einmal drückt Schnitzler das Silberpapier eines Kaugummis zusammen und schnipst es direkt in den Mülleimer. Pudels Reaktion: »100 Euro, dass du das nicht noch mal schaffst.« Schnitzler hat noch mehr Kaugummis. »Geht?«, setzt Pudel nach, »geht?« – »Geht«, antwortet Schnitzler, packt ein zweites Kaugummi aus, formt das Papier zur Kugel, schnipst und trifft.
Es sind etwa 13 Männer, die regelmäßig in Viersen pokern, ungefähr neun von ihnen sitzen an einem Abend am Tisch. Schnitzler, den die meisten aus der Zeitung kennen, sieht man gern in der Runde. Er pokert gut, sehr gut, das ja. Aber oft kann er kein Maß halten. Es passiert schon mal, dass er zehntausend Euro am Pokertisch deponiert, Runde für Runde blind 500 Euro setzt und gleichzeitig zwischen
den Chinesen an der Roulette-Maschine hantiert. Er gönnt sich einen Doppelreiz – und vertraut unten darauf, dass ihn die Pokerspieler oben nicht betrügen.
An solchen Tagen, so sieht Schnitzler das heute selbst, wirft er mit Geld um sich. Manchmal geben die Zocker, die da sind, seine Ankunft per
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