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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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Kristallleuchter an
den Wänden, die den Korridor mit Licht versorgen. In der offenen Tür zum
Speisezimmer bleibe ich kurz stehen. Dieses Essen muss wirklich wichtig sein –
heute wird das gute Porzellan benutzt. Das Licht des Kristalllüsters über dem
Marmortisch funkelt auf dem Silberbesteck. Sogar Vater ist bereits da. Und zu
meiner Überraschung auch der junge Wachmann. Er sitzt neben Mutter und hört ihr
lächelnd zu, während Vater sehr aufgebracht zu sein scheint. Normalerweise lächelt
er immer, doch heute blickt er finster drein. Mir wird kalt. Das muss mit den
Geschehnissen in der Zelle zu tun haben. Warum sonst wäre der Wachmann hier?
Verwirrt sehe ich mich im Speisezimmer um. Keine weiteren Wachen oder
Vollstreckerinnen.
    Was ist hier los?
    In diesem Moment
entdeckt mich Mutter. »Evelyn. Du kommst spät.«
    Vater und der
Wachmann erheben sich, als ich an den Tisch trete. »Bitte entschuldige, Mutter.
Ich wollte möglichst gut aussehen.«
    Sie spitzt irritiert
die Lippen, doch Vater lacht leise. »Kein Grund, sich zu entschuldigen, Evelyn.
Eine Dame kommt doch niemals zu spät. Erklärst du mir das nicht auch immer
wieder, meine Liebe?«, fügt er an Mutter gewandt hinzu. Seine Augen funkeln
verräterisch.
    Mutter nickt kurz
und signalisiert mir dann, mich neben den Wachmann zu setzen, der brav stehen
bleibt, bis ich meinen Platz eingenommen habe. Auch Vater wartet, bis alle
sitzen, und sobald er sich niedergelassen hat, verteilen die Dienstboten
Speisen und Getränke auf dem Tisch – viel mehr als wir essen können: Kaviar und
Cracker, Bohnensalat, marinierte Tempeh mit rotem Pfeffer und Brokkoli. Dazu
noch einige andere Gerichte, die ich nicht kenne. Unwillkürlich muss ich an
Gavin denken, der in seiner Zelle hungert, und überlege mir, wie ich ihm mehr
Nahrung besorgen könnte.
    Mutter und der
Wachmann unterhalten sich angeregt und scheinen nicht einmal zu bemerken, dass
ich da bin. Nur hin und wieder macht der Wachmann einen Versuch, mich in das
Gespräch mit einzubeziehen. Vater beobachtet mich aufmerksam – ich strahle ihn
an und berühre vielsagend mein Amulett. Daraufhin atmet er tief durch und
erwidert mein Lächeln. Ich frage mich, ob ich ihn wegen Gavin heimlich um Hilfe
bitten soll, doch dann wandert sein Blick zu dem Wachmann, und er wird
schlagartig ernst. Das macht mich nervös. Schließlich haben sie mir noch immer
nicht gesagt, was der Grund für dieses formelle Abendessen ist. Bestimmt nichts
Gutes. Aber während die anderen abgelenkt sind, kann ich wenigstens so viel
haltbares Essen wie möglich in meiner Handtasche verschwinden lassen. Als
nichts mehr reinpasst, stelle ich die Tasche neben meinen Füßen ab und richte
mich auf.
    Alle starren mich
an.
    Mist .
    Obwohl ich nichts
gegessen habe, tupfe ich mir mit der Serviette den Mund ab. »Habe ich etwas im
Gesicht?«
    Mutter lächelt
milde. »Nein, ich habe nur gefragt, wie du dazu stehst.«
    Â»Wozu?«
    Vater schnaubt
gereizt, während Mutter weiterhin lächelt. Doch jetzt wirkt es grausam. Wie bei
einer Katze, die mit einer Maus spielt.
    Â»Armes, törichtes
Mädchen«, sagt sie kopfschüttelnd. »Das Gespräch hat dich überfordert, nicht
wahr?«
    Der Wachmann wirkt
plötzlich angespannt, ist aber klug genug, nichts zu sagen. Blitzartig packt
mich brennende Wut. Mutter weiß ganz genau, warum ich mich nicht konzentrieren
kann. Sie sorgt höchstpersönlich dafür, und trotzdem stellt sie es so hin, als
wäre ich dämlich. Ich frage mich, wie oft sie wohl schon so etwas über mich
gesagt hat, ohne dass ich mich daran erinnern kann. Unter dem Tisch bohren sich
meine Nägel in das weiche Fleisch meiner Handfläche, doch offiziell setze ich
ein Lächeln auf, als wäre mir diese Beleidigung entgangen. »Stimmt, Mutter. Ich
fürchte, ich bin gedanklich zu meinem Garten abgeschweift. Zu dieser Jahreszeit
ist er so wunderschön.«
    Â»Das ist er
wirklich.« Lächelnd dreht sich der Wachmann zu mir um. »Mutter war so
freundlich, ihn mir zu zeigen, während du dich zurechtgemacht hast.«
    Â»Schließlich muss er
mit dem Gelände vertraut sein«, ergänzt Mutter.
    Ohne sie zu
beachten, frage ich meinen Tischnachbarn: »Oh, dann gehörst du also ab jetzt zu
meinen persönlichen Wachen?«
    Mutters Lächeln
wirkt wie festgefroren. »Nein, darüber sprachen wir

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