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Renegade

Renegade

Titel: Renegade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. A. Souders
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indem ich einen Hauch Rouge auftrage, gefolgt von kirschrotem Lippenstift
und ein wenig Lidschatten. Die Kombination aus Kleid und Make-up sorgt dafür,
dass ich mich gleichzeitig hübsch und stark fühle. Und ein klein wenig
rebellisch. Immerhin zeige ich etwas mehr Haut, als Mutter gutheißt, wenn auch
nicht so viel, dass sie etwas dagegen unternehmen würde.
    Plötzlich lenken die
Parfumflaschen auf dem Frisiertisch meine Aufmerksamkeit auf sich. Sie haben
die verschiedensten Farben und Formen, manche sind filigran und mit zarten
Metallarbeiten verziert, andere protzig und fast schon hässlich. Stirnrunzelnd
betrachte ich sie. Warum habe ich eigentlich so viele davon? Ich trage kein
Parfum, meine Blumen umgeben mich mit dem Duft, der mir am liebsten ist.
    Eine unbestimmte
Ahnung sagt mir, das ist wichtig.
    Ich streiche über
mein Amulett, und plötzlich erscheint vor meinem inneren Auge ein wunderschönes
Fläschchen. Als ich in die Wirklichkeit zurückkehre, entdecke ich es in der
Sammlung auf dem Frisiertisch. Neugierig nehme ich den Stöpsel ab und halte ihn
an die Nase. Der Duft schwebt mir entgegen und bringt die Erinnerung mit sich,
wie ich auf dem Großen Platz am Brunnen sitze.
    Ein
wenig verloren starrte ich zu Boden. Ich wusste nicht, was nun geschehen würde,
aber eines war mir klar: Niemand traute mir. Ich hatte keine Freunde, und
Mutter hielt mich für eine Verräterin. Sie hatte den anderen verboten, mich
auch nur anzusehen, während sie überlegte, was mit mir passieren sollte.
    Ich
konnte mich an nichts mehr erinnern. Nicht einmal daran, was mit Verrätern
geschah. Ein nagendes Gefühl in meinem Inneren sagte mir, dass ich es
eigentlich wissen müsste , aber sosehr ich es auch versuchte, mein Kopf blieb leer.
    Irgendwann
kam der Mann, den ich nun Vater nannte, und setzte sich neben mich. Er war einmal
einer der führenden Wissenschaftler gewesen. Vor seiner Verpaarung mit Mutter
hatte er die Druckausgleichsnanos entwickelt. Zunächst schwieg er, dann sprach
er so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte: »Ich habe sie überzeugt.«
    Verwirrt
sah ich ihn an. »Wie bitte?«
    Mit
einem traurigen Lächeln erklärte er: »Ich habe sie davon überzeugt, dass du
etwas Besonderes bist. Wir werden dich zu uns nehmen … besser gesagt, sie wird dich
nehmen. Aber auch ich werde immer für dich da sein.«
    Das
verstand ich nicht.
    Er
tätschelte meine Hand. »Das kannst du auch nicht, Evie«, sagte er, als hätte er
meine Gedanken gelesen. »Aber mach dir keine Sorgen. Mir kannst du vertrauen,
egal, was kommt.« Verstohlen sah er sich um. Mit meinen elf Jahren fiel es mir
schwer, zu begreifen, was er mir sagen wollte. Schließlich zog er ein
wunderschönes kleines Parfumfläschchen aus der Tasche seiner Sportjacke. »Hier,
nimm das.«
    Sobald
ich es in Händen hielt, zog ich den Stöpsel heraus und hob ihn an die Nase.
    Â»Damit
wirst du dich an alles erinnern können, was du wissen musst.« Mit einem
wehmütigen Lächeln strich er über mein Amulett. »Das Amulett bringt zurück, was
verloren war. Die Düfte schließen die Lücken. Mehr können wir dir jetzt nicht
geben.«
    Ein stechender
Schmerz zuckt durch meine Schläfen, krampfhaft umklammere ich den
Flaschenstöpsel. Ich erinnere mich. Vater. Erschöpft schließe ich die Augen und
danke ihm stumm dafür, dass er mir auf diesem Wege meine Erinnerung geschenkt
hat. Ich atme tief ein, lasse den Duft aus der Flasche all meine Sinne
betäuben, mich ganz von der Erinnerung durchdringen. Er spült den Schmerz fort,
sodass ich die Flaschen auf dem Toilettentisch wieder bewusst wahrnehmen kann.
So viele Erinnerungen, alle verloren. So vieles, was ich mir zurückholen muss …
wieder einmal. Bis sie mich das nächste Mal konditionieren und mir alles
wegnehmen. Genau wie Gavin es vermutet hat.
    Ich spüre, wie sich
plötzlich etwas in mir verhärtet. Diesmal nicht. Diesmal
nicht!
    Die Zimmertür öffnet
sich, und ein Dienstmädchen kommt herein. »Mutter erwartet dich, Miss«, sagt
sie leise und blickt höflich auf einen Punkt irgendwo oberhalb meiner Schulter.
Ich verschließe das Parfumfläschchen, rausche an ihr vorbei und mache mich mit
klappernden Absätzen auf den Weg. Wie überall im Palasttrakt sind Wände und
Böden hier aus Marmor, und in regelmäßigen Abständen hängen

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