Renner & Kersting 02 - Mordswut
Gedanken zu bringen. Seit Mittwoch war so unendlich viel geschehen. Da gab es Britta, die schon wieder nicht allein heim wollte. Heute hatte Angela die letzte Stunde in der 2c unterrichtet, und Helga hatte sich bei ihr erkundigt. Auch Angela musste die Mutter anrufen. Dann fiel ihr Ali ein, die erklärt hatte, von einer Sekunde zur anderen keine Gefühle mehr für ihren Ehemann aufbringen zu können. Wie war es möglich, dass eine jahrelange Liebe sich so plötzlich verliert? Und Andrea! Grundlos konnte ein so tiefes Gefühl, wie sie es für Josef empfunden hatte, nicht verschwinden. Oder war es ihr ergangen wie Ali? Aber dann hätte sie Josef nicht gleich umbringen müssen. Außerdem war diese Liebe zu frisch und Andrea viel zu glücklich. Aber was für Gründe gab es, die eine Liebe ganz plötzlich töteten? Helga fielen nur solche ein, die sich über längere Zeit hinzogen. Sie, Helga, hatte lange gebraucht, um zu begreifen, dass Hans-Werner und sie nicht zueinander passten. Und die Beziehung zwischen ihr und Klaus zog sich auch schon über ein Jahr hin, zugegebenermaßen mit mehr Hochs als Tiefs, aber trotzdem unsicher. Selbst wenn Klaus sich gegen sie entscheiden würde, würde das ihre Liebe nicht zerstören. Nein, Andrea konnte nicht die Täterin sein, stellte sie etwas zusammenhanglos zum wiederholten Male fest. Sie musste herausfinden, wer die Frau gewesen war, die Kowenius den Tod gewünscht hatte und sich mit Ali beraten. Die besaß mehr Möglichkeiten, etwas in Erfahrung zu bringen. Sobald sie daheim war, wollte Helga anrufen. Hoffentlich meldete Klaus sich bald. Andererseits, solange er die Beziehung nicht kündigte, blieb die Hoffnung. Natürlich war es nicht ungewöhnlich, dass Klaus ein paar Tage nichts von sich hören ließ. Sie wusste, wie sehr er an seinem Beruf hing, und wenn er hinter einem Täter her war, gab es häufig keine Möglichkeit, ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Andererseits rief er an, sobald er wieder im Büro war oder unterwegs kurz Zeit hatte. Nur, um sie zu beruhigen. Ihm war klar, dass sie sich sorgte. Besonders wenn wieder irgendwo ein Polizist im Dienst getötet worden war. Dann schlief sie nächtelang nicht. Auch wenn sie es ihm gegenüber bagatellisierte, kannte er ihre Ängste und bemühte sich, seine Freundin zwischendurch immer wieder zu beruhigen. Diesmal war es anders. Ob es daran lag, dass er Andrea für die Täterin hielt? Oder hatte er sich gegen sie entschieden und wusste nicht, wie er es ihr sagen sollte? Vermutlich war letzteres der Fall, und wieder überkam sie dieser undefinierbare Schmerz, von dem sie nicht wusste, wie sie ihm begegnen konnte. Sie fühlte sich lustlos, alt und verbraucht. Das hatte sie doch schon einmal gehört. Natürlich, gestern von Ali. Als diese ihre nicht mehr vorhandene Beziehung zu Herbert beschrieb. Helgas Gedanken gingen eigene Wege. Sie bekam sie nicht unter Kontrolle. Vielleicht sollte sie statt spazieren zu gehen, sich betätigen. Sie könnte kochen. Ein kompliziertes Rezept, das ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte. Moussaka wollte sie zubereiten, das machte viel Arbeit, schmeckte hervorragend und ließ sich gut einfrieren. Mit diesem Entschluss kehrte sie um, ging schnellen Schrittes zum Auto zurück und fuhr zum nächsten Kaufpark, wo sie Auberginen und Gehacktes besorgte.
17
Ali fühlte sich an diesem Freitag auch nicht wohl. Die Neugier auf den neuen Tag, die sie sonst beim Aufstehen verspürte, fehlte. Herbert war heute schon früher gegangen und hatte sie schlafen lassen. Als sie in die Küche kam, sah sie den gedeckten Frühstückstisch. Sie horchte in sich hinein. Doch statt wie sonst gerührt zu sein, empfand sie nichts. Er hatte für sie und die Kinder den Tisch gedeckt. Na und? Wie oft in ihrer Ehe hatte sie das Gleiche getan. Vergeblich suchte sie nach einem Rest des alten Gefühls. Noch tiefer zu graben, fehlte die Zeit. Die Kinder mussten geweckt, der Kakao zubereitet und die Schulbrote geschmiert werden.
Während sie Franziska und Veronika nachwinkte, dachte sie an Helgas Aufgabe. Sie sollte mal wieder in den diversen Büdchen der Nachbarschaft einkaufen gehen und ein bisschen reden, überlegte Ali. Die Verkäuferinnen erwiesen sich doch immer wieder als die besten Quellen für Neuigkeiten.
Nach vier Stunden kam sie mit Taschen voller Zeitungen, Zigaretten, Blumen, Bierflaschen und Süßigkeiten nach Haus. Beim Auspacken überfiel sie die Müdigkeit. Die Unterhaltungen waren anstrengend gewesen, hatte sie
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