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Renner & Kersting 02 - Mordswut

Renner & Kersting 02 - Mordswut

Titel: Renner & Kersting 02 - Mordswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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nie tun. Dafür war er viel zu sehr Polizist. Er wirkte, im wahrsten Sinne des Wortes, schrecklich korrekt.
     

26
    Gegen Mittag fuhr Helga wieder nach Hohenlimburg. Da sie es gestern nicht geschafft hatte, das Gespräch auf den „Schwager in spe« zu bringen, wollte sie heute vor der Tür stehen bleiben, bis sie ihn sah. Das Parkplatzproblem war längst nicht so schlimm wie in der Hagener Innenstadt, aber die Autos standen doch dicht genug am Straßenrand, dass sie nicht auffiel. Glücklicherweise besaß sie einen jener unauffälligen Kleinwagen, wie es sie zu Hunderttausenden gibt. Sie fuhr möglichst dicht an das Auto hinter ihr, damit man ihr Nummernschild nicht lesen konnte. Kurz streifte sie der Gedanke an Klaus. Hoffentlich tauchte er nicht auf, aber falls doch, war die Wahrscheinlichkeit, dass er ihr Auto erkannte, relativ gering. Sie hielt die übliche Sonntagszeitung vor die Nase, lachte über sich selbst, als sie ein Loch hineinbohrte, um besser sehen zu können, und machte sich auf eine lange Wartezeit gefasst.
    Ab und an warf ihr ein vorbeikommender Anwohner einen neugierigen Blick zu, aber mehr geschah in der nächsten Stunde nicht. Manchmal, wenn mehrere Fußgänger sie anstarrten, hielt sie demonstrativ ihr Handy ans Ohr, und einmal telefonierte sie mit Ali. Die wollte am späten Nachmittag kommen. Bis dahin, hoffte sie, hätte sie ihren Mann überredet, seine Mutter zu besuchen und Veronika mitzunehmen. Franziska verbrachte den Tag sowieso bei ihren Freundinnen. „Wir müssen unbedingt über unseren Fall sprechen«, hatte Ali gemeint. „Gestern Abend sind ein paar Sachen gesagt worden, die wir diskutieren sollten.«
    Helga dachte inzwischen über Anja nach. Ob die tatsächlich so unnahbar war wie sie sich gab? Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass sie, eine Fremde, in die Wohnung des Bruders wollte. Oder hatten sie beide sich instinktiv als Konkurrentinnen erkannt? Helga hatte viel Energie und Mühe gebraucht, um wenigstens elementarste Höflichkeit zu zeigen. Im Geiste sah sie immer noch Kerstings Auto vor der Tür. Vielleicht sollte sie weniger misstrauisch sein und Klaus mehr vertrauen. In seinem Beruf traf er mit vielen Frauen zusammen, aber noch nie hatte sie diese Eifersucht verspürt, die so brennend schmerzte. War es Intuition, oder lag es daran, dass er nicht anrief? Was besaß Anja, dass sie nicht hatte? Helga kannte die Antwort: Jugend und ein Kind. Verdammter Klaus! Für ihn hing sein ganzes Lebensglück an einem Kind. Wie konnte man so engstirnig sein? Bei einer Frau war es verständlich, aber bei einem Mann? Für den gab es nun wirklich genug Möglichkeiten, seine Männlichkeit zu beweisen. Ihre Gedanken begannen sich zu verwirren. Wieder konzentrierte sie sich auf die Haustür, die sich nur zehn Meter entfernt befand. Da die Büsche kurz geschnitten waren, konnte sie den Eingang sehr schön einsehen. Ein blauer BMW fuhr langsam an ihr vorbei. Offenkundig suchte der Fahrer einen Parkplatz. Hoffnungsvoll starrte er zu ihr hinüber. Helga schüttelte den Kopf, hielt ihr Handy ans Ohr und wandte sich ab. Der Wagen fuhr am Haus vorbei. Kurze Zeit später sah sie ihn am gegenüber liegenden Straßenrand einparken. Ein Mann stieg aus. Sie konnte nur erkennen, dass er ziemlich groß war, einen dunklen Mantel trug und einen breitkrempigen Hut in die Stirn gezogen hatte. Er ging auf Josefs Haus zu und ziemlich schnell hinein. Offensichtlich besaß er einen Schlüssel. Interessant. Helga notierte die Uhrzeit und vertiefte sich wieder in ihre Zeitung. Doch nicht lange. Dann kam ihr eine Idee. Sie stieg aus und schlenderte langsam den Bürgersteig entlang. Hinter einem Fenster im oberen Stock erkannte sie Bewegung. Unten öffnete sich die Haustür, ein kleines Mädchen, ungefähr sechs Jahre alt, kam heraus und lief in den Garten. Aha, dachte Helga, die zwei wollen allein sein. Keine Frage, was da gerade im Schlafzimmer passierte. Ähnliche Szenen waren ihr aus den Erzählungen ihrer Schüler nur zu vertraut. „Mama will mit Kalle allein sein«, oder mit Ronni, Stevie, James, wie auch immer der Favorit gerade hieß. Sie bedauerte die Kinder, die genau wussten, weshalb sie auf die Straße geschickt wurden und sich auf ihre Weise rächten. „Und wenn der Wichser dann seinen Schwanz in Mamas Fotze steckt ...« Helga hasste die Ausdrucksweise ihrer Schüler, aber für diese war es normale Umgangssprache. Einen Moment überlegte sie, ob sie die Kleine ansprechen sollte, ließ es aber sein.

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