Renner & Kersting 02 - Mordswut
Spinnst du? Ich krieche doch nicht durch ein Kellerfenster. Außerdem sind die viel zu klein!«
„Stell dich nicht so an! Schließlich ist es für einen guten Zweck.«
Sie umrundeten den Block und suchten entweder nach einer Garagenzufahrt oder einer offenen Haustür, durch die sie über den Flur zur Hintertür gelangen konnten. Bei der zweiten Runde hatten sie Glück. Ein Bewohner trug Kästen und Kartons vom Auto ins Haus und hatte die Eingangstür mit einem Keil gesichert. An den grauen Briefkästen vorbei erreichten sie die Tür zum Hof, wo wie erhofft der Schlüssel steckte. Niemand stellte eine Frage, als sie aufschlossen und hinausgingen. Es gab eine kleine Rasenfläche, ein paar Blumenbeete und eine Bank. Leider auch Balkone und viel zu viele Fenster.
„Wir sollten warten, bis es dunkel ist«, flüsterte Helga und blickte sich ängstlich um. „Die Leute wissen doch, wer zu den jeweiligen Wohnungen gehört und Zutritt zum Hof hat.«
„Hast du ne Ahnung, wie hoch die Fluktuation in diesen Mietshäusern ist. Da kennt längst nicht jeder jeden. Außerdem können wir nicht bis zur Dunkelheit hier herumstehen, und Wiederkommen ist nicht drin. Wir hatten Glück, dass die Haustür offen stand. Schau dich um, dieser Hinterhof hat keinen anderen Zugang als durch die Häuser. Also los. Wo sind die Kellerfenster unseres Objekts?« Ein kurzer Blick genügte. Das Haus war nur von vorn renoviert worden. Von hinten sah es schäbig aus, ebenso der Kellereingang. Eine nicht ungefährliche Treppe voller Löcher, dort wo der Verputz bröckelte, führte zu einer hölzernen Kellertür. Zwei über Kreuz genagelte Stahlbänder hielten sie notdürftig zusammen. Ali schüttelte amüsiert den Kopf. „Was nützen die Bänder, wenn das Holz morsch ist! Es dauert nicht mehr lange, dann müssen die Holzwürmer sich eine neue Bleibe suchen oder verhungern. Geh mal zur Seite.« Nach einem kräftigen Tritt rieselte eine Menge Holzmehl zu Boden, aber zum Durchkriechen war das entstandene Loch zu klein.
„Lass es mich versuchen!« Da Helga gerade ihren schwarzen Gürtel im Aikido bekommen hatte, wusste sie, wie man die gesamte Energie in einem Punkt konzentriert.
„Prima!«, freute Ali sich, als beide in dem dunklen Keller standen. „Die erste Hürde ist geschafft.«
Helga war nur froh, dass sie ihre alte Jeans angezogen hatte. „So eine Tür lädt Diebe doch geradezu ein. Wie kann man derart leichtsinnig sein?«, fragte sie, während sie Holzmehl und Späne von Jacke und Hose klopfte.
„Was gibt es in Büros und Arztpraxen schon zu klauen? Ich hoffe nur, die Tür zum Flur ist nicht abgeschlossen.«
Wieder hatten sie Glück. Anscheinend hielt es in diesem Haus kaum jemand für nötig, auf Sicherheit zu achten. Zwar waren die einzelnen Kellerräume durch Vorhängeschlösser geschützt, aber an die Zugänge, die von der Allgemeinheit benutzt wurden, dachte offensichtlich niemand.
Die Tür zum Wartezimmer erwies sich allerdings als längst nicht so leicht zu knacken, wie erwartet. Zwar handelte es sich um ein einfaches Schloss, aber Ali fehlte nun einmal die Erfahrung. Da dieser Teil des Flures von keinem Fenster aus einsehbar war, konnte sie sich Zeit lassen. Zuerst hatte Ali es mit einer geöffneten Büroklammer versucht, dann, als das nicht funktionierte, mit dem Dietrich. Ärgerlich murmelte sie vor sich hin. Für Helga klang es jedoch eher wie eine Beschwörungsformel – und schien auch so zu wirken. Nach einer Viertelstunde ging die Tür auf.
„Und nun? Wo steckt der Terminkalender?«
„Ich habe Herbert ganz unauffällig gefragt, wo er seinen Kalender aufbewahrt, wenn er das Büro verlässt. Er hat gesagt, in der Schreibtischschublade. Also sollten wir es dort probieren.« Zwei Schreibtische, durch eine Arbeitsplatte miteinander verbunden, boten sich an. Natürlich waren beide abgeschlossen. „Schau dich mal um, wo würdest du einen Schlüssel verstecken? Früher, als ich noch in der Verwaltung gearbeitet habe, hat niemand seinen Schreibtischschlüssel mitgenommen. Viel zu unsicher, falls mal jemand fehlte oder seinen Schlüssel vergaß. Wir hatten ein Versteck im Büro, das jeder kannte. Wie wäre es zum Beispiel mit dem Blumentopf?«
„Zu offensichtlich«, sagte Helga kopfschüttelnd, als sie, in der einen Hand die Weißblattlilie, in den weißen Porzellantopf schaute.
„Was bleibt noch?« Das Büro war sauber aufgeräumt. Alle Schränke verschlossen.
„Ich hab’s, die Spielkiste für die Kleinen im
Weitere Kostenlose Bücher