Renner & Kersting 02 - Mordswut
Dinge entwickeln. Trennen kannst du dich immer noch.« Sie drehte den Kopf weg, Tränen stiegen hoch.
„Dir geht’s auch nicht gut, wie? Hat Klaus sich inzwischen gemeldet?«
„Ich habe ihn angerufen. Er hält sich bei der Better auf.« Vergeblich versuchte sie, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.
„Heute am Sonntag? Ich denke, der Fall ist für die Polizei geklärt?«
„Genau das denke ich auch«, murmelte Helga.
Ali betrachtete das traurige Gesicht ihrer Freundin, die verräterisch geröteten Augen und entschied, dass diese Ablenkung dringend nötig hatte.
„Für uns geht es jetzt erst richtig los! So wie ich das sehe, hat der Bergedorf mehr oder weniger zugegeben, dass es zwischen ihnen Reibereien gab und dass auch die Hellwitz ein Motiv hat. Ergo zwei Verdächtige. Plus die schimpfende Frau. Mir fällt nur eine Möglichkeit ein, deren Namen herauszufinden. Wir müssen einbrechen und uns den Terminkalender ansehen. Das Datum weiß ich noch und die Uhrzeit ungefähr.«
„Spinnst du? Wie willst du denn da reinkommen?«
Ali griff sich eine Handvoll Kekse und sprach mit vollem Mund weiter. „Das Schloss zum Wartezimmer ist ganz einfach, nicht einmal ein Sicherheitsschloss. Als ich mich neulich ausgesperrt hatte und den Schlüsseldienst rufen musste, habe ich genau aufgepasst. Falls mir so etwas noch einmal passiert, dachte ich. Voraussicht ist die Mutter der Porzellankiste und so. – Jedenfalls traue ich mir zu, die Tür zu knacken. Schwieriger wird es mit den Schreibtischschlössern und dem Stahlschrank. Aber das werden wir sehen, wenn wir drin sind. Am besten sofort. In dem Haus sind nur Praxen, eine Apotheke und diverse Büros. Am Sonntag ist da kein Mensch. Also ist die Gelegenheit günstig.«
Helga überlegte. Einerseits fühlte sie sich durch den Auftrag des Rektors legitimiert. Andererseits blieb Einbruch nun mal Einbruch. Sie wusste, dass kein Richter Verständnis zeigen würde, sollte man sie schnappen. Aber da weit und breit kein Kersting da war, den sie um Hilfe hätte bitten können, blieb ihr keine Wahl. Dass diese Logik hinkte, darüber wollte sie lieber nicht nachdenken.
„Also gut«, stimmte sie zu. „Versuchen wir es.«
Während Helga ihre beige Stoffhose gegen eine dunkle Jeans tauschte, durchsuchte Ali den Schreibtisch und steckte Büroklammern, Briefklammern, Blumendraht und einen Rest Silberdraht ein.
„Der Blumendraht scheint mir etwas zu dünn und zu weich, hast du keinen festeren?«, fragte sie.
„In der rechten Küchenschublade liegt noch ein Stück. Keine Ahnung, woher es stammt.« Helga hob alles auf, was sie noch für brauchbar hielt. Demzufolge fand Ali in der Schublade ein kunterbuntes Durcheinander vor. Mit einer Zange bog sie den Draht so zurecht, wie ihrer Meinung nach der Dietrich des Schlüsseldienstes ausgesehen hatte.
„Gut gerüstet ist der halbe Erfolg!«, rief sie betont fröhlich. Einbruch war zwar kein Heilmittel bei Beziehungsstress, aber genau die richtige Ablenkung, fand sie.
Unterwegs begegneten ihnen nur wenige Autos und noch weniger Fußgänger. Nicht einmal Kinder spielten auf dem Gehsteig. Vermutlich hockten sie vor der Glotze und sahen Filme, die sie nicht verstanden.
Helga postierte sich so vor den Eingang, dass sie Ali verdeckte, während diese versuchte, die Tür zu öffnen. Obwohl sie dem Schlüsseldienst genau auf die Finger geschaut hatte, schaffte sie es nicht. Die Haustür besaß zwar nur ein einfaches Sicherheitsschloss, aber auch das war nicht leicht zu knacken, schon gar nicht, wenn man über keinerlei Erfahrung verfügt. Ali fluchte. Helga wurde nervös. „Wir können hier nicht lange herumstehen. Die Nachbarn werden aufmerksam.«
„Quatsch! Hier kümmert sich niemand um den anderen. Die Leute gehen vorbei ohne genau hinzuschauen.«
„Und die alten Frauen hinter den Gardinen? Hast du die vergessen?«
„Meinst du wirklich? – Hm, vielleicht hast du Recht. Ein letzter Versuch, okay?«
Als der ebenfalls fehlschlug, standen sie einigermaßen ratlos vor der Tür. Ungeachtet ihrer Erleichterung war Helga auch sauer. Was fiel Klaus eigentlich ein, sie so schmählich im Stich zu lassen? Für ihn wäre es ein Leichtes gewesen, einen Blick in den Terminplan zu werfen.
Plötzlich schrie Ali auf. „Ich hab’s. Lass uns mal um den Block herumgehen und versuchen in den Hinterhof zu kommen. Bei den meisten alten Häusern sind die Lichtschächte vor den Kellerfenstern nicht richtig gesichert. Da kommen wir rein.«
„Was?
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