Renner & Kersting 03 - Mordsgier
hier nicht vor.«
»Geht mir genauso«, meinte Helga. »Vielleicht ein Schüler? Nein, glaube ich nicht. Zils ... Zils ... Wen habe ich so angesprochen?«
Ali erinnerte sich als Erste. »Frau Zils. Meine Güte, klar, jetzt weiß ich’s. Das ist die in der Sparkasse, die so nett berät und so einen kompetenten Eindruck macht. Früher stand sie am Tresen und half meiner Mutter immer beim Ausfüllen der Überweisungen. Jetzt sitzt sie irgendwo im Hintergrund. Ich hab’ schon lange nicht mehr mit ihr gesprochen, deshalb war mir der Name auch entfallen. – Ich sollte mal wieder ein bisschen Geld anlegen«, schloss sie abrupt.
»Klar, die ist es, die muss es sein. So häufig ist der Name nicht.« Auch Helga war aufgeregt. Plötzlich sackten die Mundwinkel nach unten. Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nee, die kann nicht die Täterin sein. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass sie den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht hat. Ohne ihre Anzeige wäre der Mord nicht entdeckt worden. Glaubst du, sie wäre zur Polizei gelaufen, wenn sie die Mörderin wäre? Nie im Leben!«
»Aber ...« Ali zögerte. Dann fuhr sie fort. »Danielas Aussagen klangen glaubhaft, irgendwie psychologisch durchdacht. Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Frau, die so sehr klammert ...«
»Und wenn es genau umgekehrt war? Wenn nicht die Zils, sondern Daniela klammerte und nicht loslassen wollte? Wenn sie diejenige ist, die ihren Mann keiner anderen gönnte?«
»Auch möglich«, gab Ali überrascht zu. »Ja, warum eigentlich nicht? Mehr als ihre Erklärung haben wir nicht. Und wenn ich mir die beiden Frauen so vorstelle, scheint mir Daniela die Unsympathischere zu sein.«
Helga lachte. »Das ist allerdings ein Grund, jemanden eines Mordes zu verdächtigen.«
»Auf meine Menschenkenntnis kann ich mich verlassen. Da besitze ich schließlich genug Erfahrung.«
»Ach, und eure neuen Nachbarn? Hast du da auch ...«, Helga verstummte, als Ali sie böse anblickte und abrupt unterbrach.
»Das gehört nicht hierher. Das ist eine ganz private Erfahrung gewesen, die im Übrigen auch zu meiner Menschenkenntnis beigetragen hat. Weißt du denn inzwischen etwas Neues?«, lenkte sie vom heiklen Thema ab.
Helga berichtete von Robert Banken. Ali strahlte. »Ein sehr passender Verdächtiger. Wir werden ihn genau unter die Lupe nehmen.«
»Ja natürlich, nur ...«
»Was? Du bist schon wieder schrecklich zögerlich. Sag’ bloß, du hast Bedenken wegen Klaus?«
Verdammt, warum musste Ali sie ausgerechnet jetzt an Klaus erinnern? Sie hatte Bedenken, auch wegen Klaus und dem Versprechen, das sie sich selbst gegeben hatte, aber nicht nur. »Ist Gift nicht ein typisches Mordwerkzeug von Frauen?«
»Na und? Willst du den Banken etwa ausschließen, weil er ein Mann ist? Das hieße, die Emanzipation ein wenig zu weit zu treiben.«
»Bleib’ beim Thema! Ich will niemanden ausschließen, ich möchte nur Schwerpunkte setzen. Wir dürfen uns nicht verzetteln.« Helga schenkte Kirsch nach.
Ali zeigte sich schon wieder versöhnt und berichtete von Franziskas und Lucias Erfahrungen mit Wohlfang.
»Kommst du mit, Pizza essen? Oder soll ich lieber allein gehen? Was meinst du?«
»Sicher komme ich mit, aber wer kümmert sich in der Zeit um deine Kinder?«
»Herbert natürlich! Du bist ja sehr um meine Kinder besorgt. Übertreib’ es nicht.« Ein warnender Unterton lag in Alis Stimme. Helga zuckte zurück. Gut, sie waren keine Busenfreundinnen, die sich jeden Tag sahen und intimste Geheimnisse austauschten, aber die gemeinsamen Erlebnisse und die vielen Gespräche über ihre Beziehungsprobleme hatten doch zusammengeschweißt, wie Helga glaubte. Die letzten Monate schienen Ali mehr verändert zu haben als zunächst zu erkennen war. Helga dachte an Alis streng katholische Erziehung und ihr früheres Beharren auf die Unverletzlichkeit der Ehe. Die plötzliche Gefühlskälte ihrem Mann gegenüber sowie der Partnertausch mussten Spuren hinterlassen haben. Das alles sowie die Vernachlässigung der Kinder schienen in Alis einstmals geordneter heiler Welt einen gehörigen Aufruhr zu verursachen. Im Vergleich zu Ali fühlte Helga sich wie im siebten Himmel. Zwischen ihr und Klaus gab es derzeit keinerlei Probleme. Gut, er versuchte immer noch, sie zu einem Kind zu überreden, aber es fehlte jene Verbissenheit, die seine frühere Argumentation ausgezeichnet hatte. Ihm war Helga ohne Kinder wichtiger als jede andere Frau mit Kindern. Sie fühlte sich geborgen und
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