Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Auto zurück. Seit dem letzten Fall besaß sie Übung im Warten und Beschatten. Trotzdem, als es jetzt auch noch anfing zu regnen, verlor sie alle Lust. Auf dem Beifahrersitz lag ihr Handy. Warum hatte sie sich nicht vergewissert, ob die Frau überhaupt zuhause war? Heute lief auch alles schief. Womöglich hatte sie ihre Zeit sinnlos vertan. Einen Moment überlegte sie, das Versäumte nachzuholen, doch da sie eh nicht länger warten wollte, wollte sie es lieber nicht wissen. Unterwegs revidierte sie ihren Entschluss. Sie hatte Helga heute Morgen schon heimgesucht. Da konnte sie nicht jetzt schon wieder auftauchen. Vor allem, da sie nichts Neues zu berichten wusste. Zu Lena wollte sie erst am späten Nachmittag. Dort würde sie sich sowieso nicht lange aufhalten. Sie mochte ihr Patenkind, aber mit deren Eltern hatte sie sich in den letzten Jahren immer weniger verstanden. Da die Familie in Iserlohn wohnte, sahen sie sich nur noch an Lenas Geburtstagen. Sie ging die Liste ihrer Freundinnen durch und fand niemanden, mit dem sie über ihre Probleme hätte reden mögen. Es war schon komisch, dachte sie, wie vielen Menschen hatte sie zugehört und geholfen. Und jetzt, da sie selbst Hilfe brauchte, fand sie niemanden, dem sie genügend vertraute. Als sie gegenüber Sigrid Wigoreit, einer alten Bekannten, ihre Probleme angedeutet hatte, hatte die das Telefongespräch schnell beendet. Wieder überlegte Ali. Katja Filser fiel ihr ein. Die hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Bevor sie jedoch bis Breckerfeld fuhr, rief sie vorsichtshalber an. Ihr Mann meldete sich, und Ali erfuhr, dass Katja im Krankenhaus lag.
Sie erwartete im Krankenhaus keine überschwängliche Begrüßung, aber Katjas kaum hörbares »Hallo!« fand sie schon seltsam. Sie legte die Blumen, die sie unterwegs noch schnell besorgt hatte, auf das Bett. »Was machst du nur für Sachen? Wie ist das denn bloß passiert?« Diese an sich harmlose Frage ließ Katja in Tränen ausbrechen. Mit geschultem Blick erkannte Ali, dass hier niemand war, der sich für sie interessierte, sondern dass es wieder an ihr liegen würde, zuzuhören und Trost zu spenden. Im ersten Moment wollte sie dem Zimmer trotzig den Rücken kehren, aber dann war sie für die Ablenkung dankbar.
Als Helga erwachte, war es noch dunkel. Schläfrig zog sie die Bettdecke enger um sich und überlegte, welcher Wochentag heute war. Aufstehen oder Liegenbleiben? Noch hatte der Wecker keine unliebsamen Geräusche von sich gegeben. Nach kurzem Überlegen kam sie zu dem Schluss, dass heute Sonntag sein musste. Folglich drehte sie sich noch einmal um, wobei sie spürte, dass sie nicht allein im Bett lag. Richtig, Klaus war gestern Abend noch gekommen, sie hatten sich im Hasper Hammer Kabarett angeschaut und anschließend eine Flasche Wein geleert. Sie lag regungslos und genoss die Wärme des Bettes. Allmählich dämmerte es, wurde heller und heller. Von draußen klang das Kratzen einer Schaufel über den Bürgersteig. Sollte etwa jemand Schnee fegen? Sie richtete sich auf, um aus dem Fenster sehen zu können. Vom Himmel fielen weiße Flocken. Wie schön! Ihre Bewegung riss Klaus aus dem Schlaf. Mit einem fragenden »Hm?« streckte er einen Arm aus, umfasste sie und zog sie zu sich herunter.
»Es schneit. Was hältst du von einem Spaziergang nach dem Frühstück?«
Als Antwort kamen ein bestätigendes »Hm!« und ein deutlicher Hinweis, dass seine Gedanken derzeit andere Wege gingen.
»Los, du Faulpelz, raus mit dir!« Helga richtete sich wieder auf und umfasste mit ihren Armen ihre Knie. »Wir sollten das herrliche Wetter nutzen, bevor der Schnee wieder schmilzt.«
»Du hast recht wie immer«, murmelte er, verschwand mit dem Kopf unter der Bettdecke und streichelte alle Körperteile, derer er habhaft wurde. Sie kicherte, als er jene Stellen erwischte, an denen sie besonders empfindlich war und ergab sich dann seinen Wünschen. »Nun gut, du willst mich, hier bin ich.« Eng kuschelte sie sich in seine Arme, lauschte auf die Geräusche der Arbeit, die von draußen hereindrangen, bis sie seinen Zärtlichkeiten nicht länger widerstehen konnte. Gemeinsam erreichten sie den Höhepunkt und blieben still ineinander verwoben liegen, um den anderen zu spüren und sich seiner Nähe zu erfreuen. Als die Kirchenglocken läuteten, unternahm sie einen weiteren Versuch, nun endlich aufzustehen.
»Der Sonntag ist zum Ausschlafen da«, kam es von irgendwo unter der Bettdecke zurück.
Es ging auf Mittag zu, als
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